Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
Die plötzliche Stille zeugte eindeutig davon. Mia und Zach sahen sie beide wachsam und schuldbewusst an.
Jude rang sich ein gezwungenes Lächeln ab. »Findet ihr es nicht auch schön, wenn es zu Weihnachten schneit?«
Einer von ihnen antwortete – ehrlich gesagt bekam sie kaum mit, wer. Vielleicht ihre Mutter, die eine Bemerkung über das Wetter machte.
Judes Hände zitterten nur ganz leicht, und wenn sie sich über ihren Blutdruck hätte Sorgen machen müssen, wäre jetzt Anlass dazu gewesen. Plötzlich verstand sie, warum so viele ihrer Freundinnen sie vor dem Stress des Abschlussjahres gewarnt hatten. Es war erst Dezember, und doch war ihr Leben in Schieflage geraten, als zöge sich das warme Wasser, das sie immer aufrecht an der Oberfläche gehalten hatte, plötzlich zurück. Im flachen Wasser lauerten unsichtbare Gefahren. Untiefen wie Liebe und Partys und Kinder, die einen anlogen.
»Den rosafarbenen Pullover muss ich umtauschen«, verkündete Mia irgendwann. »Der ist viel zu groß. Dafür hole ich mir was für Timmys Party am Samstag. Gehst du mit mir einkaufen, Mom?«
Judes Kopf fuhr hoch. »Timmys Party?«
»Am Samstag, schon vergessen?«, fragte Mia.
»Ihr beiden werdet am Samstag auf keine Party gehen«, erklärte Jude. Sie war erstaunt, dass die beiden überhaupt wagten, daran zu denken.
Zach blickte abrupt auf. »Aber du hast es uns erlaubt.«
»Ja, aber da hattet ihr mich noch nicht nachts um halb zwei betrunken angerufen, damit ich euch abhole!«
»Du hast gesagt, wir sollten dich anrufen«, entgegnete Zach. »Ich wusste, wir würden dafür Ärger kriegen.«
»Du lässt sie auf Partys gehen?«, fragte ihre Mutter und hob ihre sorgfältig gezupften Augenbrauen. »Mit Alkohol?«
Jude atmete langsam ein und wieder aus, um sich zu sammeln. Was sie jetzt auf gar keinen Fall gebrauchen konnte, war ein pädagogischer Ratschlag von einer Frau, die Kinder wie radioaktiven Müll behandelte. »Es war richtig von euch, mich anzurufen. Ich bin froh, dass ihr es getan habt. Aber ihr habt auch getrunken, und das war nicht richtig. Wir haben doch darüber gesprochen.«
»Wir haben unsere Lektion gelernt«, beteuerte Zach. »Wir werden nichts mehr trinken. Aber …«
»Kein Aber. Dies ist die letzte Woche der Winterferien, die wir in der Familie verbringen wollen. Wir gehen morgen zu Molly und Tim, und Montagabend gibt es eine Sonderausstellung in der Galerie eurer Großmutter. Ty und Lexi können euch jederzeit besuchen kommen, aber die Party am Samstag ist gestrichen.«
Zach wollte aufstehen, aber Miles legte ihm seine Hand auf die Schulter und drückte ihn wieder hinunter.
»Ich wusste es«, murrte Zach und sank mürrisch auf seinem Platz zusammen.
Jude versuchte zu lächeln, aber vergeblich. Vielleicht hatte Gott das Abschlussjahr so erschaffen, dass Mütter ihre Kinder danach leichter ziehen lassen konnten. Wenn das so weiterginge, würde es einfacher werden als erwartet.
Der letzte Ferientag im Januar begann mit Eisregen. Dieser verwandelte sich jedoch rasch in dichten Schnee, der Zäune und Telefonmasten weiß puderte. Kurz darauf bedeckte eine dicke Neuschneedecke die Straßen, und rote Verkehrskegel markierten das Ende etlicher steiler Anhöhen. Kinder zogen sich warm an und gingen auf den gesicherten Hügeln Schlittenfahren. Ihre Mütter standen in Grüppchen zusammen, schossen Fotos und unterhielten sich.
Lexi und Zach waren im Wohnwagen und lagen eng aneinandergeschmiegt in ihrem Bett. Auf dem Nachttisch brannte eine Duftkerze, die den leichten Schimmelgeruch überdecken sollte, der im Winter bei geschlossenem Fenster stets herrschte.
»Meine Tante kommt bald nach Hause.«
»Wie bald?«
Sie schlug ihm grinsend auf den Arm, rollte sich von ihm weg und stand auf. »Du hast deiner Mom versprochen, heute noch deine Bewerbungen fertigzumachen, und sie war letztens so sauer, da möchte ich sie nicht noch mal aufbringen. Also, beweg dich.« Sie zog sich an und ging zur Tür. Eigentlich wollte sie direkt aus ihrem Zimmer zur Küche marschieren, wo auf dem Tisch alle Bewerbungsunterlagen in ordentlichen Stapeln lagen.
Im letzten Moment jedoch wurde sie schwach und drehte sich um.
Er lag immer noch im Bett: nackt, ihre zerschlissene blaue Decke um die Hüften, die Füße darunter hervorlugend. Sein Lächeln tat seine Wirkung: Wie magisch angezogen, ging sie wieder zu ihm. Als sie am Bett stand, streckte er den Arm aus, umfasste mit seiner warmen Hand ihren Nacken und zog sie zu sich, um sie
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