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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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vor.
    Onkel Bora hatte beide Fehler begangen.
    Fick doch die göttlichen Schweinefüße, Bora, da ist vielleicht die Niere, aber doch nicht das Herz!, hatte Onkel Miki seinen Bruder angeschrien und mit dem ganzen Gewicht sein Knie in das Schwein am Boden gedrückt. Das Blut spritzte in alle Richtungen. Schon jagte das Bellen näher. Petak schoss über den Hof, überholte die eigene Zunge. Bora, Mann!, schrie Miki, und Petak sprang um die Männer und das blutende Schwein. Er bellte nicht mehr, er schrie, der Sabber quoll durch seine gefletschten Zähne und triefte ihm die Schnauze herab. Miki konnte das Schwein nicht loslassen, weil Bora wieder mit dem Messer ausholte, Petak, aus! Aus!, schrie er, mein Vater trat nach dem Hund, der jaulte auf und Bora stach ein zweites Mal zu.
     
    Aus! Aus die Musik!, brüllt jetzt dieser Kamenko, obwohl die Dilettanten gar nicht mehr spielen und vor Kamenkos Pistole zurückweichen. Nur der Trompeter rührt sich nicht, die Trompete noch an den Lippen wie bei dem letzten heiteren Ton und der letzte heitere Ton noch in der Luft, nur nicht mehr heiter. Der Pistolenlauf rührt in der Trompete. Kamenkos Arm zittert, der Trompeter zittert, ein kalter Wind geht. Kamenko mit seinem Gebrüll und Petak mit seinem Gebell wetzen den Wind scharf wie Onkel Bora das längste Schlachtmesser für das Schweineherz.
    Bell nur, bell, murmelt Kamenko mit starrem Blick und zieht langsam die Pistole aus der Trompete.
    Bleib unten, flüstert meine Mutter und schiebt meinen Kopf unter den Tisch. Ich sehe trotzdem alles, ich sehe wie Kamenkos Arm zuckt, es gibt den Schuss, es gibt die Schreie, es gibt das Scheppern der Trompete, als sie auf dem Boden landet.
Nataša fällt mir um den Hals, fällt mir in die Arme, beißt nicht, küsst nicht, sie flüstert nur: was war das?
    Etwas so Lautes, dass Petak verstummt. Etwas so Erschreckendes, dass meine Mutter mit den Beinen zuckt. Etwas so Wichtiges, dass es die Berge wiederholen – wie ferner Donner klingt der Hall. Mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht hält der Trompeter beide Hände an sein rechtes Ohr, krümmt sich aber, als sei er in den Magen geschlagen worden. Zu nah war die Pistole, warum so nah?, möchte ich schreien, Nataša lehnt ihren Kopf an meinen Rücken, umarmt mich. Das muss doch nicht sein, würde ich mich gern wehren, aber gerade jetzt muss das vielleicht doch sein.
    Aus! Aus die Musik! Gespielt wird jetzt, was ich befehle!, befiehlt Kamenko und tritt nach der Trompete. Hat unser Volk Schlachten gewonnen, damit Zigeuner auf unsere Lieder scheißen?
    Nur Ur-Opas Schnarchen stört die Stille nach Kamenkos Frage. Kein Schuss, kein Bellen, keine Befehle dieser Welt können einem solch melodischen Schlaf etwas anhaben. Bevor sich Kamenko erhob und das Lied von der schönen Emina unterbrach, hatte Ur-Opa die erste Strophe gesungen, singend war er auch eingeschlafen, den Kopf auf dem Tisch.
    Kamenko stößt den Trompeter gegen die Wand und drückt ihm den Arm unter das Kinn. Das Leder an seinen Stiefeln ist abgescheuert bis zum Metall. Der Trompeter röchelt und Ur-Oma tupft sich die Mundwinkel mit einem Blatt Kopfsalat ab, zieht ihre Augenklappe auf und stellt sich breitbeinig hinter Kamenko. High Noon, Cowboy!, ruft sie ihm zu, bewaffnet mit zwei Gabeln. Ich zähle bis drei! Eins, Kamenko, mein gesunder Kamenko, wusstest du, dass ich deinen Großvater Kosta gestillt habe, weil die Milch seiner Mutter zu schwach war? An meiner Milch wurde dein Kosta gesund und groß, für seinen großen Kopf konnte ich nichts. Er spielte mit meinem Slavko und tanzte auf unseren Festen. Und wenn deinem Kosta nach einem Lied war, schnallte er sich selbst das Akkordeon um und griff wie ein Mann in die Tasten, dass die
Musiker gar nicht hinterherkamen! Zwei, Kamenko, mein schöner Kamenko, jetzt hast du dir dieses Haar wachsen lassen und diesen Bart, fuchtelst mit dieser Pistole herum und hast dir auf die Mütze ein Wappen genäht, schief, aber das kann man lernen. Weißt du aber, dass dein Großvater Kosta gegen solche Mützen und die doppelköpfigen Adler auf den Mützen in den Krieg zog, dass er zwei Mal an derselben Schulter verwundet wurde und zwei Mal an derselben Wade? Drei, Kamenko, mein schießwütiger Bandit, warum ballerst du in unser Haus? Mit diesen Händen haben wir es in den Boden gekellert und in die Wolken gerissen, und du schießt ihm mitten in den Hals, da, wo seine Seele sitzt!
    Kamenko schubst den Trompeter von sich weg und wendet sich Ur-Oma zu. Jaja,

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