Wie der Soldat das Grammofon repariert
Slavko spricht Ur-Oma nicht mit mir. Ihr seid alle meine Kinder, leicht habe ich es nicht, sagte sie zu Vater, als wir in Veletovo ankamen. Den du geboren hast, willst du nicht begraben. Meine eigene Freude begrabe ich.
Vater antwortete nicht.
Ur-Opa antwortete, indem er nach Worten suchte.
Ich vermisse ihn auch, sage ich jetzt leise und lege das Tuch weg. Ur-Oma nimmt die Augenklappe ab. Ihre braunen, großen Augen. Ein dünnes Haar aus dem Muttermal an ihrer Wange. Die geblümte Kittelschürze über dem Schwarz. Ich schleiche mich aus ihrer Laune davon. Die Sonne scheint. Ich klettere auf einen Pflaumenbaum. Vater singt selbstvergessen. Mutter lacht. Nena Fatima zieht ihre Stiefel aus. Tante Taifun füllt Eimer und Eimer und streichelt über ihren großen
Bauch. Onkel Miki hat ein Huhn an den Beinen gepackt und schleppt es zum Hof.
Es gibt Rohwurst mit rotem Paprika und Knoblauch, es gibt geräucherten Schinken, es gibt geräucherten Speck, es gibt Ziegenkäse, Schafskäse, Kuhkäse, es gibt gebratene Kartoffeln mit Lauch, es gibt gekochte Eier; Zahnstocher gibt es, die Zahnstocher stecken in der Rohwurst, im Schinken, im Käse, in den Eierscheiben; es gibt Weißbrot, es gibt goldenes Maisbrot, immer gebrochen wird das Brot, niemals geschnitten; es gibt Knoblauchbutter, Leberpastete, Kajmak, es gibt Kohlsuppe, Kartoffelsuppe und auf der Hühnersuppe schwimmen daumengroße Fettaugen, das Brot wird in die Suppen getunkt ; es gibt Bohnenbrühe, ein Gräuel!, es gibt gebratene Bohnen, es gibt Bohnensalat; es gibt reis- und hackfleischgefüllte Weißkrautrouladen, es gibt hackfleischgefüllte Paprika, hackfleischgefülltes Hackfleisch, Hackfleisch und Pflaumen: Mutter und ich sehen uns an, sie fragt nach Schokolade; es gibt Schokolade, es gibt Hähnchen, es gibt Gurkensalat, so ein dermaßen unbeachtetes Essen wie diesen Gurkensalat habe ich noch nie gesehen; es gibt warmes Baklawa, der Sirup aus Zucker, Zimt, Honig und Nelken trieft über die Finger auf die Hose, auf das Hackfleisch; so süß, schreit jemand, so süß, es ist Onkel Bora, er steht vor lauter Süßgenuss auf – im Stehen und mit geschlossenen Augen leckt er sich die Finger, so süß!, nicht auszuhalten!, aufhören!, mehr!; es gibt Pflaumen über Pflaumen, es gibt Pflaumenstrudel mit Vanillezucker und Pflaumenkompott, es gibt gebratene Pflaumen mit Zuckerguss ; es gibt Melonen, die Fünf-Mann-Musikkapelle aus Dilettanten macht ausgerechnet für die Melonen eine Pause, es ist mir ein Rätsel, warum man sie nach ihrem misslungenen Kloauftritt wieder eingeladen hat, aber sie sind da, stürzen sich auf die Melonenstücke, schlürfen, schlotzen, schmatzen, überhaupt schlürfenschlotzenschmatzen auf einmal alle und als Erstes nach der Pause spielt die Kapelle »In der schönen, alten Stadt Višegrad«. Aaah!, fährt aber Ur-Opa dazwischen
vor Lust und Wut und spuckt eine Kanonade Melonenkerne in Richtung Trompete, aah!, das geht nicht, so etwas Zartes doch nicht zur Melone, ihr Dilettanten! Dabei ist er längst beim Lamm – links ein Melonenboot, rechts eine Lammkeule, und dann abwechselnd nagen, aah! Ja, es gibt auch Lamm, das graue Fleisch türmt sich auf den Blumentellern, und gleich wird es auch Spanferkel geben: Tante Taifun dreht den Spieß, gießt Bier über den Schweinerücken und Wein über den Schweinebauch, vor Hitze und Anstrengung rotwangig, einenstuhlbrauchichnicht, und das blonde Haar fliegt ihr um den Kopf. Tante Taifun kurbelt mit beiden Händen so wild, dass Asche unter dem Spanferkel stiebt, bistsduzulangsambrätsnichtharmonisch. Griebe aus gekochtem, gesalzenem, gepresstem Schweinefett gibt es, es gibt gebratenen Schweinedarm, es gibt Schweinefüße und -ohren, mit Gelee überzogen, es gibt nichts, was es nicht gibt.
Ich schleppe den Eimer mit der Melonenrinde zum Schweinegehege und bewerfe die Schweine damit. Schweine stört das nicht, sie haben dicke Haut, sie essen die Rinde und wühlen mit ihren weichen Schnauzen im Matsch. Ich treffe die fetteste Sau am Bauch. Sie grunzt und kümmert sich nur um die Rinde, Abdrücke meiner Zähne auf ihrem Futter, so ist das Schweineleben. Das nächste Mal, wenn wir ein Schwein schlachten, darf ich mitjagen, darf es mit zu Boden drücken, darf es aufspießen – hinten rein, unter der Wirbelsäule entlang und durch das Maul raus. Ur-Opa versprach mir das heute. Den Magen ausschaben und auswaschen darf ich zwar auch, ich möchte aber gar nicht mit meinen Händen dort hineingreifen, wo die
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