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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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so gute Flintenschütze, Milenko Pavlović, genannt Walross, hinter das Lenkrad? Und sollte ich nicht sofort zum Laden zurückgehen und Zoran berichten, dass sein Vater wieder da ist, dieses Mal nicht zu früh, eher ein Jahr zu spät?

Wann etwas ein Ereignis ist, wann ein Erlebnis, wie viele Tode Genosse Tito hat und wie der ehemals gefeierte Dreierschütze hinter das Lenkrad eines Centrotrans-Busses gelangt
    E in Ereignis ist es, wenn Herr Fazlagić in unser Klassenzimmer stürmt. Der pünktliche Herr Fazlagić rast mit einem triefend nassen Schwamm an die Tafel, als sei er nicht Lehrer, sondern Feuerwehrmann, der eine brennende Tafel löschen will. Da wir täglich Serbokroatisch haben, rückt Herr Fazlagić jeden Tag aus, um die Tafel zu löschen und mit tausend Beispielsätzen unsere Rechtschreibung zu retten. Herr Fazlagić ist vielleicht ein guter Feuerwehrlehrer, genau weiß man das nicht, denn bei den meisten von uns bleiben seine Rettungsversuche wirkungslos. Wir werden, allen Herren Fazlagićs dieser Welt zum Trotz, ć und č niemals unterscheiden können, und die Tafel hat auch nie gebrannt.
    Edin und ich haben es mehrmals versucht. Erst mit Matheheften, dann mit einer halb vollen Cola-Flasche Benzin, die Edin aus der Garage seiner Mutter mitgebracht hatte. Ich blieb skeptisch: so eine Tafel ist gar nicht aus Holz, und wie viel Benzin brauchst du, um eine Messingtafel anzuzünden? Eine Tankstelle könntest du auf Messing kippen, trotzdem brennt Messing nicht, sagte ich, und wiederholte das Wort Messing so oft, bis Edin die Benzincola ins Licht hielt, die Augen zusammenkniff und, stimmt ja eigentlich, nickte. Mit Messing kannst du Glas schneiden und Glas brennt auch nicht, warum also sollte Messing brennen, lass uns das Zeug an Čika Spok verkaufen oder einen Frosch anzünden.
    Benzin ist Alkohol und Čika Spok ein Säufer, wie ihn jede
Stadt braucht. Mit Daumen am Ohr und dem kleinen Finger an den Lippen telefoniert Čika Spok bis tief in die Nacht mit den Sternen; er schmeichelt dem großen Bären und verspricht: eines Tages hab ich eine Waffe, die ist so stolz, damit erleg ich dich und schneider mir eine Sternbärenmütze.
    Vielleicht sind das nicht ganz genau seine Worte, ich wünsche mir aber jedes Mal, wenn mich seine Schreie wecken, er würde den Bär sachlich über sein Schicksal aufklären und ihn nicht beschimpfen und verdächtigen: meine Sterne sind das, die du trägst, diebisches Vieh! Oder Nacht und Nacht mit Flaschen um sich werfen und Flüche loslassen, die von der Bärenmutter und von Abhäutung handelten. Nicht in seine Betten, die Parkbänke, kotzen, nicht in seiner Kotze schlafen.
    Edin und ich entschieden uns für den Frosch und gegen Čika Spok, weil der so friedlich schlief, im Sitzen an die Moscheemauer gelehnt. Es dauerte zwei Stunden, bis wir einen fangen konnten. Ich zündete das Streichholz an, dann ein zweites. Der Frosch muss sich in diesem Augenblick so einiges über sein derzeitiges Leben gedacht haben und über die ganze blöde Situation, in die er geraten war. Anstatt am Flussufer die Backen aufzublasen und nach Mücken mit der Zunge zu peitschen, hockte er in einem Pappkarton und wurde mit Benzin geduscht, während über ihm zwei dunkelhaarige Köpfe brennende Holzstäbchen auf seinen Rücken warfen und auf eine spektakuläre Explosion warteten. Das vierte und das fünfte Streichholz erloschen ebenfalls, und das Benzin roch nach vergorenem Apfelsaft.
    Wenn man Streichhölzer auf einen reglos über sein Schicksal nachdenkenden Frosch wirft, tut einem diese eingesperrte Fröschigkeit sehr schnell sehr Leid, aber man versucht es trotzdem mit noch einem Streichholz. Erst dann gibt man dem Frosch seinen Teich zurück, wirft die geleerte Colaflasche hinterher und zündet den Karton an.

    Ein Ereignis war es auch, als am ersten Tag des Schulj ahres unser Serbokroatischlehrer auf die Leiter stieg und das Bild des Genossen Tito von der Wand nahm. Er stemmte es gegen den Bauch und sagte mit feierlicher Stimme zu Titos großem Gesicht, zu Titos Schulterpolstern und Titos Offiziersstreifen: ab heute nennt ihr mich Herr Fazlagić und nicht mehr Genosse Lehrer, ist das klar?
    Nach der Pause, die Erwachsene machen, wenn sie etwas mit feierlicher Verkündungsstimme gesagt haben, schnippte ich mit den Fingern und stand auf, wie man uns gelehrt hatte : Aufstehen, wenn wir etwas zu sagen haben. Herr Fazlagić, Nicht-mehr-Genosse-Lehrer, wie dreckig ist denn Nicht-mehr-Genosse-Tito?
    Ich legte

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