Wie der Soldat das Grammofon repariert
Wohnungen stehen offen, die Nachbarn räumen schweigend auf, Glas überall.
Oma Katarina steht am offenen Fenster. Oma?
Edin und ich stellen uns zu ihr. Oma?
Vier Soldaten mit Bart wollen ein Pferd von der Brücke in den Fluss werfen. Sie führen es an den Zügeln. Das Pferd und die Soldaten sehen von der Brücke über das Geländer in den Fluss. Die Soldaten schieben, strengen sich an. Das Pferd steht da. Von alleine klettert es nicht über das Geländer. Ich bin der Selbstherrlichen satt!, schreit einer der Bärte wie ein Schwerhöriger und hält dem Pferd die Pistole an den weißen Fleck auf der Stirn. Die Soldaten rauchen. Die Soldaten tätscheln dem Pferd die Nüstern. Die Soldaten führen das Pferd von der Brücke ans Ufer zurück.
Erschießt das Vieh doch einfach, ruft ihnen einer mit Sonnenbrille zu. Der spielt Gameboy auf seinem regennassen Panzer.
Pferde erschießt man, wenn sie nicht mehr können, schreit der mit dem Zügel in der Hand und führt das Pferd in tieferes Gewässer.
Karfiol frisst gern Karfiol, sagt Oma. Wo gibt es das denn, ein Pferd mit diesem Namen?
Musa Hasanagić trug den Zylinderhut und dressierte seine Karfiol. Edin und ich sahen häufig zu. Das Grammofon spielte Bolero. Die Stute flanierte im Schritt dazu, trabte mit erhobenem Kopf. Traversale!, rief Musa und klopfte gegen den Zylinder. Passage!, rief er. Er schnippte mit den Fingern, und Karfiol drehte sich auf der Stelle.
Ein Schuss fällt, das Pferd scheut, Oma zuckt zusammen. Hätte das mein Slavko erlebt, flüstert sie in ihre Hand, wäre sein Herz nicht stehen geblieben, sondern zehntausendfach zersplittert.
Der Soldat mit dem Teig an den Händen läuft gemächlichen Schrittes über die Straße, Zylinderhut auf dem Kopf, die Tüte mit unseren Fischen in der Hand. Ich drücke mein Gesicht an Omas Hüfte. Sie müsste Edin und mich vom Fenster fortschicken, sie müsste das Fenster schließen. Sie flüstert: Karfiol, was für ein hässlicher Name für so ein schönes Tier.
Karfiol scheut, Karfiol buckelt, Karfiol tritt mit den Vorderbeinen nach dem Soldaten, Karfiol reißt sich los, Karfiol prescht durch das Wasser auf das Ufer zu. Am Ufer stehen drei Soldaten mit Bart und rauchen freihändig, die Gewehre im Anschlag.
Zitternd mache ich einen Schritt vom Fenster weg und halte mir die Ohren zu. Ich stürze rückwärts aus dem Zimmer, packe meinen Rucksack. Edin hilft mir ernst und stumm. Ich schmiere drei letzte Bilder des Unfertigen aufs Papier und verstecke sie mit den restlichen hinter Oma Katarinas Kleiderschrank, neunundneunzig an der Zahl. Emina, weit weg vom Soldaten mit dem goldenen Zahn. Karfiol im Galopp ohne Zäune weit und breit. Pistole, nicht geladen.
Im Treppenhaus begegne ich meinem Vater, er hetzt die Stufen hinauf, nickt mir zu wie einem Bekannten, Schweißflecken unter dem Arm. In jedem Stockwerk rufe ich Asijas Namen und bekomme keine Antwort. Das Gepäck stopfe ich in den Haufen auf dem Rücksitz unseres Yugos, der jetzt, so
voll beladen, wie die anderen Autos aussieht, die in den letzten Tagen Višegrad aufgegeben haben. Nena, kriegst du Luft da hinten? Nena Fatima lächelt mich an, und die Tüte mit meinen Malsachen fällt ihr in den Schoß. Ich will den Fußball mitnehmen, Mutter schüttelt den Kopf, und ich passe ihn Edin zu. Vater und Oma kommen aus dem Gebäude, Oma küsst weinend die weinenden Nachbarinnen und bleibt vor einem der Wachsoldaten stehen. Sie mustert ihn von Kopf bis Fuß, steigt auf die Zehenspitzen und zischt ihm etwas ins Ohr. Der Soldat grinst hämisch und zuckt mit den Schultern. Oma zwängt sich auf den Rücksitz neben Nena Fatima.
Edin hat den Ball mit der Sohle gestoppt. Aus seiner Hosentasche holt er ein Stück Kreide und lässt es zwischen den Fingern kreisen. Er wippt auf dem verbogenen Garagentor, in das gestern ein Panzer beim Einparken gedonnert ist. Ein Soldat stieg oben heraus, besah fluchend den Schaden, wischte mit dem Ärmel über das Metall und fuhr wieder weg. Das Tor fiel aus den Angeln, die kleinen Fenster brachen. Edin macht das Geräusch des brechenden Tores nach und schabt mit der Fußspitze in den Scherben. Irgendwie, sagt er, ist die ganze Stadt zersplittert. Haust du jetzt auch ab?
Nur kurz, antworte ich, und muss schlucken.
Wir gehen also doch nie wieder über die Brücke zusammen. Ich wette mit dir, ruft er und winkt schon, dieses Jahr kommt kein Hochwasser mehr. Es kann gar nicht kommen, schreit er, das darf nicht sein, nicht auch noch ein
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