Wie der Soldat das Grammofon repariert
Oma nichts gehört, es ist schwer, durchzukommen.
Nena Fatima hat seit Belgrad ein Geheimnis. Die ganze Zeit schreibt sie etwas, versteckt es aber unter ihrem Kopftuch. Wenn ich mir eine Stimme für Nena Fatima aussuchen könnte, wäre sie die einer souveränen Hexe, die noch was zu lachen hat, bevor das Märchen einen guten Ausgang nimmt: ein wenig kratzig, selbstbewusst und voller Pläne. Würde meine Nena kluge Sachen sagen, wenn sie spräche? Wie klänge ihr Gesang?
Silvester war eine Katastrophe. Ich bekam eine Jeans geschenkt. Onkel Bora kaufte Raketen und Böller, und wir setzten uns bunte Hüte auf den Kopf und hörten unsere Musik etwas lauter als sonst. Meine Mutter sagte: egal, was ich koche, es schmeckt nicht. Mein Vater sagte: egal, was ich trinke, es hilft nicht, und begrub das Gesicht in den Händen, da
war es kurz vor Mitternacht. Um zwölf umarmte jeder jeden, dann verschossen Onkel Bora und ich das Feuerwerk und die kleine Ema, der kleine Taifun, wachte auf und schrie.
Wie war es bei dir? Liegt bei euch eigentlich Schnee? Hier schon, aber nur für fünf Minuten, und er sieht aus, als wäre er schon im Fallen schmutzig geworden, er kommt bräunlich auf die Erde.
Ab morgen gehe ich in eine deutsche Schule. Ich werde versuchen, nicht so taubstumm zu sein wie Nena Fatima und habe deswegen die ersten zehn Wörterbuchseiten auswendig gelernt. Onkel Bora sagt, ich sei in Mathe den Deutschen drei Jahre voraus. Wenn man mein mangelndes Mathetalent davon abzieht, bleibt immerhin noch ein Jahr. Die Schulnoten sind hier falsch herum und in unserem Stadtteil gibt es fast nur Türken. In den Kaufhäusern kann man Nintendo spielen, es ist mir noch nicht gelungen, über Nacht in so einem Kaufhaus vergessen zu werden, aber ich habe schon einen Plan. Meine Mutter war letzte Woche krank, konnte dem Arzt aber das Aussehen ihrer Schmerzen nicht erklären und kam noch kränker zurück.
Fünf oder sechs andere Familien aus Bosnien wohnen mit uns im Haus, fünfundzwanzig Leute auf zwei Stockwerken. Es ist alles sehr eng, die Bäder immer besetzt, und ich kann mit der Fernbedienung von meinem Onkel den Fernseher von Čika Zahid ausschalten, das macht ihn wahnsinnig, er glaubt an Nazi-Geister. Gleich in der Nähe ist ein kleiner Bahnhof, und Čika Zahid wartet dort auf Grün, um die Schienen zu überqueren. Mit seinem Sohn Sabahudin fahre ich auf Sofakissen Bob unter der Autobahnbrücke. Sabahudin hat sich nach seiner Ankunft drei Tage lang die Zähne mit Rasierschaum geputzt.
Gestern wurden wir für Deutschland erlaubt. In einem großen Büro mit hundert Türen warteten wir drei Stunden vor dem Buchstaben K. Die Wartenden sprachen unsere Sprache, die man nicht mehr serbokroatisch nennen soll, drängten sich um den Aschenbecher und hinterließen Matsch auf dem
Boden und Sohlenstempel an der Wand. Um uns K’s kümmerte sich Frau Foß. Sie lächelte milde, feine Grübchen, und in den Kragen ihrer rosafarbenen Bluse hatte sich eine rosafarbene Brosche festgebissen. Überall im K-Zimmer grinste eine Maus mit dem Namen Diddl von den Postkarten. Frau Foß war der freundlichste und der geduldigste Mensch auf der Welt, sie grinste wie ihre Maus und schenkte meiner Mutter ein Taschentuch. Wir konnten nicht viel sagen, mussten es aber auch nicht, Frau Foß wusste, was mit uns zu tun sei. Wir bekamen Stempel in unsere Pässe, weil Frau Foß mit uns hier einverstanden war. ß ist jetzt mein Lieblingsbuchstabe und eine sehr schöne Erfindung, weil darin zwei s untergekommen sind. Ich würde gern Alekßandar Krßmanović heißen und sagte zu Frau Foß im Hinausgehen: Aal, aalglatt, Aas, ab, abändern, Abänderung, abarbeiten, Abart, abartig, Abbau, abbauen, abbeißen, abbekommen, abblasen, Danke! Danke wusste ich, obwohl ich noch nicht so weit war mit dem Wörterbuch. Onkel Bora sagt, Frau Foß habe ihn noch nie verarscht.
Asija, wir schlafen alle in diesem kleinen Zimmer und sind alle eine Spur wütender als zu Hause, auch in den Träumen. Manchmal wache ich auf und male Fingerschattenvögel an die Wand, eine Laterne vor dem Fenster sieht streng zu uns hinein, als passte sie auf, und Onkel Bora versprach, die helle Drecksau bald zu fällen. Für Gardinen gibt es keine Geldpriorität, auch nicht für eine Leinwand und Farben für Vater, aber Mutter und er suchen schon eine Arbeit.
Heute Nacht wachte Tante Taifun kurz nach mir auf. Sie ist langsamer geworden, meine schöne schnelle Tante mit dem hellen Haar, die vor Liebe für
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