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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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Regens nach, der auf den Fluss prasselt. Die Posen treiben mit der Strömung, der Regen nimmt zu und die Soldaten fragen: beißen sie? Drei Bärtige und der Sieger mit dem größten Kopf der Welt. Woher kommen die denn nun schon wieder?
    Nein. Nur kleine. Zu viel Lärm für die Fische in den letzten Tagen. Tauchen ab in tiefere Gewässer.
    So, so. Verstecken sich. Mal sehen, wie gut.
    Die Handgranate versinkt sofort. Die Soldaten tragen Regenmäntel und neigen die Oberkörper nach vorne, wenn sie rauchen. Es gießt in Bächen, in Strömen, Flüsse gießt es auf den Fluss und jetzt auch auf die abwärts treibenden Fischschuppen und Fischbäuche. Sammeln geht nicht, der Rzav ist hier zu tief, zu schnell und im April noch zu kalt, und schmecken würde ein solcher Fang ganz sicher nicht.

    Aus dem Gebüsch auf dem anderen Ufer löst sich ein hellbrauner Mischling, trinkt aus dem Fluss.
    Jungs, wetten?
    Nein!
    Die erste Salve trifft nicht; der Hund zuckt zusammen, springt auf, tänzelt seitwärts, bleibt stehen und hebt die spitze Schnauze. Wittert er die Wette?
    Fünfzig, dass ich ihn diesmal kriege, sagt der Sieger zu den Bärtigen, einer spuckt in die Hand und schlägt ein. Wie ein Schädel so groß sein kann und eine Wette nach Schnaps und Erde riechen?
    Die zweite Salve.
     
    Natürlich war es ein Wels! Hundert Kilo, vielleicht zweihundert wog der, schätzt Edin auf dem Weg zur Schule und breitet die Arme aus, als wollte er jemanden umarmen: so groß muss der gewesen sein, mindestens!
    Ich kenne mich mit Welsen aus und glaube Edin kein Wort. Die Schnur kann auch mal reißen, wenn sich der Haken irgendwo am Grund verfängt, und außerdem sind die Welse unbescheidene Fische, sie geben sich nicht ab mit dem kleinen Rzav. Zwei Döbel haben wir gefangen, und wer rührt eigentlich so in den Wolken herum? – bis auf die Haut sind wir vom Regen durchnässt.
    Unter Vordächern Soldaten, hinter Sandsäcken Soldaten, in Kneipen Soldaten – Wirte und Gäste zugleich. Am größten Kaufhaus der Stadt fragen wir: dürfen wir da rein? Der Soldat steigt aus dem Schaufenster, sagt: auf Scherben aufpassen, und schnallt den Fernseher auf den Beifahrersitz. Wir meiden die Glassplitter, obwohl sie herrlich knirschen. Soldaten, Edin und ich kaufen ein. Wir nehmen so viele Stifte und Hefte mit, wie wir tragen können. Als wir in der Schule ankommen, ist alles nass. Das aufgeweichte Papier stapeln wir auf der Heizung, aber was macht man mit fünfhundert Anspitzern ? So wie die Schule aussieht, werden wir sie niemals wieder brauchen. Mit den Anspitzern legen wir eine Spur in den
dunklen Gängen, über Glassplitter und Schutt, durch verwüstete Klassenräume. Im Lehrerzimmer ist kein Fenster mehr heil, vor den Fensteröffnungen Tischtürme und Stuhlbeingeflechte und zehntausend leere Patronenhülsen zwischen hunderttausend Splittern. Unsere Anspitzerspur trifft auf eine Blutspur. Edin und ich folgen ihr bis zu einem großen Fenster und sehen auf die Stadt unter dem donnerlosen Regen. Mitten im Raum ein Berg aus zerfledderten Klassenbüchern – die roten Einbände. Manche fragten nach dem Alphabet ab, andere schlugen eine zufällige Seite auf.
    Nachsehen, wie wir mündlich in Russisch stehen?, frage ich, aber auf der Bergkuppe liegt ein riesiger Haufen eingetrockneter Scheiße, über dem zwei Fliegen ihre Rechtecke ziehen, und wir geben uns mit der Vier schriftlich zufrieden.
    Sag mal, Edin, warum haben die den Hund so abgeschossen ?
    Edin zuckt mit den Schultern, hebt einige Patronenhülsen auf und schmeißt sie einzeln durch das Fenster. Im Sommer, sagt er, habe ich unten ein Tor auf die Fassade gemalt. Mit roter Kreide, auf Zehenspitzen. Zwei Mal musste ich den Arm absetzen und durchschütteln, so hoch war die Latte. Ich war gerade fertig, da kam Hausmeister Kostina raus und fragte: was das denn werden soll. Ich: Na, ein Tor. Er: Abwischen, Nachsitzen.
    Kein einziges Mal draufgehalten?, frage ich.
    Kein einziges Mal, sagt Edin und entkeilt ein paar Stühle, hätte ja ein Fenster kaputtgehen können.
    Im Labor kniet Fizo, unser Physiklehrer, vor einem weiteren Teppich aus Scherben und sagt, als wir uns neben ihn hocken: der Unterricht findet statt, wir müssen nur aufräumen. Ich habe drei heile Messbecher gefunden und zwei Brenner. Eure Lochkameras sind bis auf zwei alle kaputt, das Federpendel ist ganz, die meisten Glühbirnen nicht. Zieht euch Handschuhe an und passt mit dem Glas auf. Alles Blutbefleckte liegen lassen.

    Das Meiste wird

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