Wie der Soldat das Grammofon repariert
ringen Hasan und der Wels auf der Oberfläche, ein Stechen und Spritzen und Strudeln und Sichwinden. Im Liegen schnappe ich nach der Rute, werde auf dem Bauch in den Fluss gezogen. Sead greift nach meinen Beinen, stachelt mich an: Junge, hol ihn da raus! Unter Wasser kurbele ich weiter, jetzt nur ein Gewicht, keine Gegenwehr am Haken. Sead zieht mich ans Ufer, vor uns taucht erst das wenige an Hasans Haar aus dem Wasser, dann sein Gesicht, mit Tang bedeckt, schließlich in seiner Umarmung: der Wels. Der Wels mit Schnurrbart und Seads Hornbrille auf der Nase.
Ich bleibe liegen, lache, lache, blute. Hasan lacht und spuckt Wasser und Matsch, bis zum Grund hat er mich …, sagt er. Am lautesten lacht Sead: Herr Gelehrter! Die steht Ihnen viel besser als mir, wischt er dem Wels die Brillengläser ab. Ich lege meine Hand auf den kühlen, großen Fischkopf, streichle dem müden Gelehrten über den Rücken und die lange Bauchflosse, überlege, was von ihm ich behalten könnte, Schuppen hat er nicht und hat nichts mitgebracht.
Loslassen?, frage ich
Und Hasan und Sead sind zum ersten Mal einer Meinung.
Und, was hast du behalten?, fragt Opa.
Den Tag, sage ich und sehe ihn an.
Wie sich Schachspiel zu Weltpolitik verhält, warum Opa Slavko weiß, dass morgen die Revolutionen kommen und wie es sein kann, dass manchmal etwas so schwer zu sagen ist
O pa Slavko und ich werfen als Erstes einige schlafende Kühe um, dann spielen wir Schach auf einer umgefallenen Kuh, bis die Dame dem König eine scheuert und mit dem schwarzen Bauer auf einem weißen Springer nach Bulgarien durchbrennt, in die Heimat des schwarzen Springers an das Schwarze Meer. So viel schwarz-weiß!
Das kommt von der propagandistischen Schwarz-Weiß-Malerei in der Weltpolitik, Schach-Matt!, sagt Opa und schlägt eine Zeitung auf, die in dreißig Jahren gedruckt werden wird. Ich helfe derweil Ur-Oma mit einer Eiche. Sie schultert die Eiche auf und kocht Eichenbrühe. Erde tropft von den Wurzeln, ich pflanze Hackfleischpflaumen hinein.
Ist Propaganda nebenberuflich Künstlerin?, rufe ich von der Drina, mit einem Wels ringend. Der Wels trägt Schnurrbart und Brille, und Opa sagt: Propaganda ist der Name einer Märchenerzählerin.
Zeitungen und Opa verhalten sich zueinander wie etwas sehr Billiges, das jeder hat, zu etwas sehr Teuerem, das nur ich habe.
Aleksandar, worüber sprichst du eigentlich ständig mit der Drina? Opa setzt sich Johann Sebastians Perücke auf und korrigiert im Sportteil Roter Stern auf den ersten Tabellenplatz.
Ich flüstere es ihm zu und küsse sein Haar, als sei er der Enkel. Opa riecht nach Kreuzworträtseln auf frisch gedrucktem Zeitungspapier und reicht mir eine Packung Stela-Eis.
Schafe sind nicht wirklich zu Boden gefallene Wolken, sage ich und führe Opa die Stimme Drinas vor. Die Stimme fließt so kalt aus meiner Hand, dass Opa und ich ins Haus schwimmen und ein Bett mit Turzismen beziehen: »jastuk«, »jorgan«, »čaršaf« – Kissen, Decke, Laken. Die Türken haben ihre Sprache zu uns gebracht, sagt Opa und winkt Marica Popović zu, die vor dem Fenster vorbeifliegt, und wenn man viel Zeit miteinander verbringt, redet man irgendwann ähnlich.
Mir sagt man nach, ich rede wie mein Opa. Ein größeres Kompliment gibt es nicht.
Mandeln sind die schlimmste Körperpropaganda! Ich lege mich in das frisch bezogene Bett und huste. Ich leide an einer Mandelentzündung und verteile mir Spucke übers Gesicht, damit man von einer nochniegeweinten Menge an Tränen ausgeht und mich nicht den Penicillinspritzen ausliefert.
Essig-Kartoffel-Wickel senken wirklich das Fieber. Opa bringt mir Mandarinen und Hackfleischpflaumen ans Bett, und erklärt: das hungrige Fieber wandert in die Waden.
Walross sagt: die einzigen Wickel, die helfen, sind Schnapswickel an den Füßen, aber dafür bist du zu jung. Es gibt nichts Schlimmeres, als durch die Sohlen besoffen zu werden.
Zieh dich an, wir fahren, befiehlt Vater.
Künstler sind die unnachgiebigste Sorte Nebenberuf.
Auf dem Weg ins Krankenhaus halten wir an der Brücke, weil Ivo Andrić gerade versucht, mit einem Pferd über die Drina zu springen. Ganz Višegrad ist da, und tanzt. Im Vorprogramm liefern sich Tante Taifun und Carl Lewis ein Rennen über die Brücke. Der Nobelpreisträger gibt dem Pferd Wein zu trinken, und sie laufen an.
Ich werde niemals müde, zuzusehen, wie sich Opa rasiert. Ich halte mich am Waschbecken und bekomme eine Gänsehaut am Kopf, so still sind mein Opa und
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