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Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Bilen
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wusste, dass er sterben würde.
    Seit der Beerdigung bin ich nicht mehr in Matts Zimmer gewesen. Sofort fällt mir der Geruch auf: Es riecht nicht mehr nach ihm (Schweiß, vermischt mit Aftershave). Jetzt riecht das Zimmer wie der Rest des Hauses, mit dem Unterschied, dass hier etwas vom Zigarettengestank fehlt, weil die Tür die ganze Zeit geschlossen war.
    Matt hätte Designer für T.G.I. Friday’s sein können – an seinen Wänden hängen die seltsamsten und coolsten Dinge. Zuerst einmal wäre da seine Sammlung an Nummernschildern aus anderen Bundesstaaten. Seine Lieblingsschilder stammen aus Alaska und Maine – die Naturstaaten mochte er besonders. Mir gefällt vor allem das Schild mit der Aufschrift OKLAHOMA IS O.K. Es mag dumm sein, aber ich mag den Klang. Dann gibt es noch ein Andreaskreuz, das sich Matt von einem alten Bahnübergang holte, nachdem man die Strecke stillgelegt und die Gleise entfernt hatte. Den Auspufftopf von Moms altem Chevy (bevor sie den Ford kaufte) hat Matt an die Decke gehängt, und an der Wand neben seinem Bett ist ein Surfbrett befestigt. Neben der Kommode steht einer dieser singenden Fische. Ich drücke den Knopf, aber nichts passiert. Wahrscheinlich ist die Batterie leer.
    Für meine Eltern ist dies eine Art Schrein, den es zu hüten und zu bewahren gilt. Meine Mutter hätte gar nicht die Kraft, hier etwas zu verändern, und mein Vater rührt nichts an, weil er so tut, als wäre Matt noch am Leben. In Matts Zimmer ist alles wie vorher, bis auf die schmutzige Wäsche. Die hat Mom natürlich gewaschen und weggelegt. Ich sehe mir die Trophäen im Bücherregal an: Fußball, Fußball und noch mehr Fußball. Hinzu kommen einige Requisiten aus Stücken, bei denen er mitgewirkt oder die er sich angesehen hat. Matt liebte die Schauspielerei und gab gern vor, jemand anders zu sein, als er war.
    Ich blättere in den Büchern (meistens Theaterstücke, einige auch in Spanisch) und suche nach Zetteln, finde aber nur ein Baseballticket für ein Spiel der Tigers. Vatertag. Wir sind zusammen hingegangen. Nach dem Spiel sind wir mit den anderen Kindern und ihren Vätern an den Bases entlanggelaufen. Die Tigers haben verloren, glaube ich, bin mir aber nicht sicher. Fußball ist die einzige Sportart, für die ich mich ein bisschen erwärmen kann, und auch nur dann, wenn Matt gespielt hat oder wenn Zach spielt. Ich sehe in allen Schubladen nach, doch sie enthalten nur Matts Kleidung.
    Bei der Münzsammlung finde ich einen Brief, aber er ist an Matt gerichtet. Von seiner letzten Freundin Shannon. Er hat sie einmal zum Abendessen mit nach Hause gebracht, an einem Freitagabend. Es muss die Idee meiner Mutter gewesen sein. Sie gab sich alle Mühe, damit wir wie eine normale Familie wirkten. Die Rindfleischpastete, die sie für uns zubereitet hatte, schmeckte großartig. Wären wir eine normale Familie, käme bei uns Rindfleischpastete als eins der üblichen Gerichte auf den Tisch, wenn Besuch angesagt wäre. Da mein Vater aber keine Gäste mag, fühlt sich Moms Pastete immer wie ein Spezialgericht für uns alle an.
    Das Gespräch am Tisch verlief etwa wie folgt.
    Shannon: »Mein Vater findet Ihren Eisenwarenladen richtig gut.«
    Dad: »He, Michelle, warum sind die Karotten kalt? Und sie sind noch hart. Du weißt doch, dass ich keine harten Karotten mag. Schieb sie noch einmal in die Mikrowelle.«
    Mom: »Nun, Shannon, du und Matt, ihr macht zusammen Spanisch?«
    Shannon (mit bewunderndem Blick auf Matt): »Ja, Spanisch ist mein Lieblingsfach.«
    Dad: »Taugt überhaupt nichts, meiner Meinung nach. Wie gut kann man das überhaupt an einer Highschool lernen? Nicht gut genug, so viel steht fest.«
    Nicht gut genug, um deinem Partner das Leben zu retten? Glaubst du das wirklich, Dad?
    Matt war rot angelaufen, aber er schwieg. Shannon wäre offensichtlich am liebsten unter den Tisch gekrochen. Eine Woche später war es aus mit ihnen. Ich weiß nicht, ob es etwas mit der Einladung zu tun hatte, aber gefördert hat der Abend die Beziehung wohl kaum.
    Schließlich bin ich davon überzeugt, dass ich in Matts Zimmer keinen Hinweis darauf entdecke, wo sich Mom aufhält. Es wird spät. Bald kehrt mein Vater heim. Also schalte ich die Stereoanlage aus und mache mich ans Abendessen. Ich schiebe Fischfilets in den Backofen, schalte den Fernseher ein und gehe die Liste der aufgezeichneten Programme durch, bis ich die gestrige Folge von Winds of Change finde. Julia erzählt Ramón von einem Traum, in dem sie eine Tochter

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