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Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Bilen
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nicht an. Als ich die Glühbirne herausschraube und schüttle, stelle ich fest: Sie ist durchgebrannt. Soll ich sie wechseln? Besser nicht. Ich schraube sie wieder ein.
    Ich hebe die Decke mit dem Rosenmuster und sehe unters Bett. Ein Päckchen Zigaretten liegt dort, sonst nichts. Ich hätte es in den Kamin geworfen, wenn ein Feuer gebrannt hätte. So stecke ich das Päckchen in die Hosentasche meiner Jeans. Wenigstens ist Moms Reisetasche nicht mehr da.
    Um ganz sicher zu sein, gehe ich ins Bad und überprüfe den Zahnbürstenhalter, der wie eine Palme aussieht. Nur eine Zahnbürste. Blau. Die meines Vaters.
    Ich öffne den Schrank unterm Waschbecken und suche nach der Make-up-Tasche meiner Mutter. Weg. Haartrockner, weg. Lockenwickler, weg. Wenigstens sind ihre Sachen nicht wie durch Magie an ihren Platz zurückgekehrt, so wie meine.
    Ich hoffe, einen Hinweis zu finden, wohin Mom verschwunden ist. Vielleicht hat sie mir irgendwo eine Nachricht hinterlassen. Ich weiß nicht, wonach ich suche, aber ich suche trotzdem. In den Schubladen ihres Nachtschränkchens und des Kleiderschranks sehe ich nach, werfe auch einen Blick in den Schmuckkasten.
    Dort finde ich es. Das Medaillon, das Matt ihr vor drei Jahren zu Weihnachten geschenkt hat. Sie trägt es jeden Tag, ohne Ausnahme. An den Arbeitstagen ebenso wie am Wochenende. Warum trägt sie es nicht mehr?
    Ich öffne das Medaillon und sehe mir das Bildchen von Matt und mir an. Damals waren wir viel jünger. Und glücklicher.
    Ich möchte das Medaillon behalten, damit ich mich Mom und Matt ein bisschen näher fühle, aber ich weiß, dass ich es zurücklegen muss. Dad bemerkt alles.
    Ich will das Medaillon wieder in den Schmuckkasten legen, als mir etwas auffällt. Moment mal. Die Kette ist zerrissen. Ich betaste sie mit den Fingern.
    Als hätte ihr sie jemand vom Hals gerissen.
    Voller Zorn.
    Mach dich nicht lächerlich, Sara! Die Kette ist einfach nur zerrissen. Das muss nicht unbedingt Unheil bedeuten.
    Ich lege die Kette in die kleine Schublade zurück, schließe den Schmuckkasten und stelle ihn auf die Frisierkommode. An die gleiche Stelle wie vorher, hoffe ich.
    Ich versuche, mich daran zu erinnern, ob meine Mutter das Medaillon am Montagabend oder Dienstagabend getragen hat.
    Dann sinke ich aufs Bett und kämpfe gegen meine wachsende Unruhe an. Am Dienstag hat mein Vater ihr die Kette nicht abgerissen. Wahrscheinlich ist sie vorher beschädigt worden.
    Ich will noch immer glauben, dass alles in Ordnung ist, hole einen Küchenstuhl und sehe hinter den Sachen ganz oben im Kleiderschrank nach. Dabei bringe ich es fertig, dass drei Pullover zu Boden fallen. Unter einem von ihnen finde ich die grässlichen marineblauen Abendschuhe meiner Mutter, die keiner Frau gut stünden. Ich fasse es kaum, dass sie sie immer noch aufhebt. Die Dinger gehören in den Müll. Ich bin damit schon zur Mülltonne unterwegs, als mir klar wird, dass ich die Schuhe nicht wegwerfen kann. Dad würde es bemerken. Etwas Buntes in einem der Schuhe erweckt meine Aufmerksamkeit. Es ist eine dieser Karten, die man bekommt, wenn einem jemand Blumen schickt. Sie zeigt ein handschriftliches Herz und den Namen Brian .
    Bedeutet die Karte etwas? Oder ist es nur eine von vielen, die wir nach Matts Beerdigung erhielten? Und wer ist Brian? Ich packe die Schuhe zurück und gehe ins andere Schlafzimmer, das meine Mutter als Arbeitszimmer verwendet. Dort durchsuche ich die Unterlagen im Aktenschrank und sehe sogar unter den Pflanzen nach. Nichts.
    Wo würde Mom etwas verstecken, das Dad nicht finden soll?
    Matts Zimmer. Ich gehe durch den Flur, bleibe vor dem Zimmer stehen und atme tief durch, bevor ich die Tür öffne.
    Der Anblick weckt Erinnerungen an den Tag vorher, an den Tag vor dem Ende.
    Ich sah durch die Tür. Matt lag auf dem Bett und starrte an die Decke. »Was machst du?«, fragte ich ihn.
    »Denke nur nach.«
    Ich setzte mich auf die Bettkante.
    »Hast du dich jemals gefragt, wie das Sterben ist?«, fragte er. »Ich meine, entweder existieren wir für immer – oder puff. Das große Nichts, bis in alle Ewigkeit. Ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht.«
    »Klingt mir zu unheimlich. Und ich dachte, du schiebst nur die Hausaufgaben auf.«
    »Nee, hab keine«, erwiderte er.
    Was hat Alex heute gesagt? Du hast die Hausaufgaben nicht gemacht, weil du wusstest, dass du nicht in die Schule kommst, stimmt’s?
    Plötzlich wird mir klar, was Matt gemeint hat. Er hat die Hausaufgaben nicht gemacht, weil er

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