Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Bilen
Vom Netzwerk:
hatte und der sich so echt wie die Wirklichkeit anfühlte.
    Gut, Julia! Du hast tatsächlich eine Tochter! Dann setzt Ramón seine Trauermiene auf und erzählt Julia, ja, sie hatten eine Tochter, aber sie kam beim Hausbrand ums Leben. Julia runzelt verwirrt die Stirn. Fall nicht darauf herein, Julia! Er lügt! Verlass Ramón und kehr zu deiner Tochter zurück! Aber stattdessen schlingt sie die Arme um Ramón und sagt: »Gott sei Dank habe ich dich!«
    Nachdem mein Vater das Haus betreten hat, hängt er seine Baseballmütze an den Haken in der Küche, rückt den Zuckerbehälter etwas nach rechts und zieht die Jalousien ein wenig nach oben.
    »Hat dein Bruder angerufen und gesagt, wann er nach Hause kommt?«
    Die alte Leier. Ja, aber der Handyempfang vom Himmel ist nicht sonderlich gut. Gewöhnlich wechselt Mom einfach das Thema. Und ich? Was flüstert mir mein dummes, verwirrtes, an Schlafmangel leidendes Gehirn zu? Was du kannst, kann ich schon lange. Ich sage: »Ja, er will nach der Probe des Stücks sofort nach Hause kommen.«
    Das waren die falschen Worte.
    »Nicht schon wieder dieses schwachsinnige Schwulentheater! Ich habe ihm gesagt, er soll damit aufhören. Was treibt er sich noch bei der Probe herum? Ruf ihn an und sag ihm, er soll sofort nach Hause kommen.«
    Ich stelle mir vor, wie ich in mein Zimmer laufe, mir Sam schnappe und mich aufs Bett werfe. Im wahren Leben schlägt mein Herz schneller und schneller, und ich kann mich nicht von der Stelle rühren.
    »Worauf wartest du?« Dad reißt das Cordless aus der Wandhalterung und wirft es mir zu. »Ruf ihn an!«
    Ich wähle die Nummer von Moms Handy. Als sich die Voicemail meldet, sage ich: »Matt, Vater will, dass du nach Hause kommst, und zwar sofort.«
    Das stellt meinen Vater zunächst einmal zufrieden. Er geht weg.
    Ich nehme den Dosenöffner und versuche, eine Dose mit Mais zu öffnen. Mir zittern die Hände. Ich drehe meinen Pferdeschwanz.
    »Sara!«
    Ich stelle die Dose auf den Tisch.
    »Komm her!«
    Ich folge der Stimme meines Vaters zum elterlichen Schlafzimmer. Das Bett steht schief, und die Decke ist zur Seite gerissen.
    »Wo sind meine Zigaretten? Ich habe ein Päckchen auf dem Nachtschränkchen liegen gelassen.«
    Fast hätte ich mir in die Hose gemacht. Hoffentlich ragt das Päckchen, das ich unter dem Bett gefunden habe, nicht aus meiner Tasche. Ich wage nicht, nach unten zu sehen.
    »Keine Ahnung.«
    »Was soll das heißen – keine Ahnung? Was sucht das Glas dort drüben?« Er deutet auf das Glas Wasser, das ich auf dem Nachtschränkchen vergessen habe. »Was hattest du in meinem Schlafzimmer zu suchen?«
    »Nichts«, sage ich leise. Es klingt nicht gerade selbstsicher.
    Dad ragt vor mir auf, stinkt nach Zigaretten und auch nach Bier. Großartig. Er packt mich an den Schultern und schüttelt mich. »Antworte mir, junge Dame!« Dann senkt er den Blick und sieht das Päckchen. »Was zum …?« Mit einem Ruck zieht er mir das Zigarettenpäckchen aus der Hosentasche und stößt mich gegen die Wand.
    »Was hat das zu bedeuten? Meine eigene Tochter bestiehlt mich? Was wolltest du damit? Na? Na?«
    Warum passiert mir das? Es muss ein Traum sein, so fühlt es sich an, und ich will so schnell wie möglich erwachen. Ich kann nicht antworten. Was auch immer ich sage, es wäre in jedem Fall die falsche Antwort. Also schüttle ich nur den Kopf, und Tränen laufen mir über die Wangen.
    Er nimmt eine Zigarette und stößt sie mir zwischen die Lippen.
    »Möchtest du wissen, wie es ist, eine Zigarette zu rauchen? Geht’s dir darum?«
    Ich schüttle erneut den Kopf.
    »Willst du’s wirklich wissen? Na?«
    Als ich den Mund öffne, um Nein zu sagen, drückt er die Zigarette ganz hinein und zwängt meine Lippen zusammen. Dann zieht er sein Feuerzeug hervor.
    Dies kann nicht geschehen. Ich bin der Zuschauer. Unsichtbar. Ich werde immer in Ruhe gelassen.
    Mein Vater klappt das Feuerzeug auf. Es klickt, und eine Flamme tanzt vor mir. Ich erstarre. Er zündet die Zigarette an, und ich versuche, nicht einzuatmen, aber es hat keinen Zweck, kurz darauf muss ich Luft holen. Und dann huste und würge ich. Schließlich lässt er mich los, und ich zerdrücke die Zigarette im Aschenbecher.
    Dann ist er weg. Die Tür des Trucks fällt zu, Reifen quietschen, Kieselsteinchen prasseln gegen die Hausverkleidung. Ich habe meine Gedanken nicht unter Kontrolle und wünsche mir plötzlich, dass er mit seinem Truck gegen einen Baum fährt.
    Ich nehme die Zigarette aus dem

Weitere Kostenlose Bücher