Wie der Vater so der Tod
Aschenbecher und will sie in Stücke reißen. Aber das ist gar nicht so einfach – das Papier ist viel fester, als es den Anschein hat. Ich hole eine Schere und schneide und schneide, bis alle Innereien der Zigarette in der Toilette liegen, und dann spüle ich.
Ich weiß, dass ich mich auf den Weg machen sollte, sofort. Ich sollte dieses Haus und meinen Vater verlassen. Ich sollte Abschied nehmen von diesem Leben. Aber ich kann nicht. Noch nicht. Erst muss ich herausfinden, was mit meiner Mutter geschehen ist.
6
Donnerstag
Diesmal lautete das Schreibthema zu Beginn der Englischstunde Einkaufen .
»Wieso einfach nur Einkaufen ? Gibt es kein zweites Thema zur Auswahl?« Das ist Nick.
»Nein.« Mrs. Monroe schüttelt den Kopf und fügt ein »Pscht!« hinzu.
Ich schiebe mir zwei Ritz Bits in den Mund, erhoffe mir Inspiration davon und beginne zu schreiben.
Versteht mich nicht falsch, Shopping im Einkaufszentrum macht Spaß. Aber am liebsten ist mir das Einkaufen bei Ramschverkäufen. Wir sind nicht etwa arm oder so, aber es ist ein Zeitvertreib für die Familie. Das heißt, früher war es ein Zeitvertreib, als Matt noch lebte. Wir gehörten nicht zu den Leuten, die im Morgengrauen aufstehen, um am Samstag die Zeitung zu kaufen und bei den angekündigten Ramschverkäufen die Ersten zu sein. (Dad ließ uns trotzdem im Morgengrauen aufstehen, aber um sauber zu machen.) Wenn wir einen Ramschverkauf entdeckten und nicht irgendwo erwartet wurden, machten wir halt, auch wenn wir durch einen anderen Staat fuhren. Auf diese Weise hat Matt viele der Nummernschilder in seinem Zimmer ergattert.
Mein Handy vibriert, als die Zeit fürs Schreiben um ist, Ich schnappe nach Luft und verschlucke mich fast an den Ritz Bits. Bitte lass es Mom sein!
Es ist eine SMS von Alex. ZACH MEINT, DASS DU GERN RAD FÄHRST. WIE WÄR’S, WENN WIR MATHE AUSFALLEN LASSEN UND UNS AUF DEN WEG MACHEN ?
Unglaublich. Ich lösche die Nachricht und stecke das Handy in den Rucksack.
Beim Geschichtsunterricht bin ich diesmal früh dran. Alex ebenfalls. Er sitzt in der letzten Reihe neben mir. »Hast du meine SMS bekommen?«
»Mhm.« Von wegen Schmetterlinge im Bauch. Ich habe das Gefühl, ein Falke versucht, in meinem Magen zu fliegen. Alex’ Lippen rufen: Weich und küssbar.
»Und, was meinst du?«
Zählt es als Date, wenn es während der Schulzeit stattfindet? »Nein, ich glaube nicht.«
»Warum nicht?«
Ich sehe ihn mit gewölbten Brauen an. »Altman, um nur einen Grund zu nennen.« Was noch wichtiger ist: Ich kann nicht mit ihm verschwinden und rummachen, während meine Mutter vermisst wird. Ich öffne das Geschichtsbuch und stelle es vor mir auf den Tisch. Dann nehme ich Stephen Kings Sie und lege mir den Roman aufgeschlagen auf den Schoß, damit ich lesen kann, wenn der Unterricht zu langweilig wird.
Alex’ Finger berühren meine Hand. »Ich mach dir einen Vorschlag. Wir brechen erst nach der Mittagspause auf. Ich hole dich beim Dairy Dream ab. Dort bist du doch, oder?«
»Ja.«
»Gut!«
»Ich meine, dort werde ich sein, ja.«
»Es ist ein schöner Tag. Ein bisschen Bewegung nach dem Essen ist bestimmt angenehmer, als hier eingepfercht herumzusitzen.«
»Du vergisst, dass mir Algebra gefällt. Du bist es, der Rätsel mag.«
Alex scheint nicht überzeugt zu sein.
Ich mache einen Rückzieher. »Na schön, dass ich Algebra mag , ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber ich ertrage sie.«
»Möchtest du nicht lieber den Wind im Haar spüren, als Aaron hinter dir sabbern zu hören?«
»Das hast du bemerkt?« Ich lache.
»Der Bursche hat ein echtes Speichelproblem.«
»Stimmt, aber die Antwort lautet trotzdem Nein.«
»Wie gut sind deine Schauspielkünste?«
Sie müssen recht gut sein, denn seit zwei Tagen mache ich allen etwas vor. »Ganz gut, denke ich.«
»Ich habe da eine Idee. Du gibst vor, in Ohnmacht zu fallen, und ich trage dich zum Büro der Krankenschwester. Keine Sorge, du schlägst nicht mit dem Kopf auf dem Boden auf – ich fange dich auf. Natürlich gehen wir nicht zur Krankenschwester, sondern …«
Mr. Robertson kommt und bleibt zwischen uns stehen. Ich hole Heft und Kugelschreiber hervor. Alex ebenfalls. Ich bin überrascht, dass er überhaupt ein Heft hat.
Alex räuspert sich. »Nur damit Sie Bescheid wissen, Mister Robertson, Sir: Wenn Sie noch einmal nach den Ursachen des Ersten Weltkriegs fragen wollen, bin ich genau der Richtige.«
»Freut mich zu hören. Und nur damit du Bescheid weißt, Alex,
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