Wie der Vater so der Tod
Mister Maloy: Ich habe eine offene E -Mail in meinem Computer dort auf dem Pult, noch leer, aber bereits an deinen Trainer adressiert.«
Mr. Robertson beginnt mit dem Unterricht. Alex rückt seinen Tisch immer näher an meinen heran, bis sie sich fast berühren. Er erweckt den Eindruck, aufzupassen und sich Notizen zu machen, aber in Wirklichkeit ist er mit Mitteilungen für mich beschäftigt. Er schreibt zwei Sätze, stützt den Kugelschreiber ans Kinn und schiebt mir das Heft zu. Außerdem meldet er sich bei ungefähr jeder fünften Frage und beantwortet die meisten richtig, was der Grund sein dürfte, warum Mr. Robertson nichts über unsere Tische sagt. In jener Stunde lerne ich nichts über den Ersten Weltkrieg, aber viel über Alex. So erfahre ich zum Beispiel, dass er zu Hause einen Leguan namens Fred hat, dass er am liebsten Hühnchen-Pot-Pie, Tortilla-Chips und Schokoriegel isst und dass er sich am allermeisten vor Treibsand fürchtet.
Das Letzte kann ich nicht ganz glauben.
»Treibsand?«, frage ich, als Mr. Robertson seinen Vortrag beendet und uns auffordert, mit den Hausaufgaben zu beginnen.
»Na schön, das habe ich erfunden. Aber wäre es nicht cool, richtigen Treibsand zu sehen?«
»Versuch es damit, dich treiben zu lassen.«
»Wie bitte?«
»Wenn du jemals in Treibsand geraten solltest … Lass dich auf dem Rücken treiben. So steht es im Buch Was alles passieren kann .«
Alex lacht. »Und warum hast du dir ein solches Buch zugelegt?«
»Weißt du noch, als die Frau mit ihrem Wagen in den Detroit River geriet? In den Nachrichten zeigten sie anschließend, wie man einen sinkenden Wagen verlässt. Ich konnte mich nicht an alles erinnern, und deshalb habe ich mir den Ratgeber besorgt.«
»Wir sind hier ziemlich weit vom Detroit River entfernt, falls du das noch nicht bemerkt hast.«
»Aber nicht so weit vom Ausable.«
»Na schön, zugegeben. Aber …«
»Man muss sofort die Fenster herunterlassen, wenn man ins Wasser gerät.«
Alex schnaubt. »Danke für den Rat. Ich glaube, du hast ein bisschen zu viel Stephen King gelesen.«
Wenn du wüsstest. In dem Ratgeber steht leider nicht, wie ich meine Mutter finde.
Als es läutet, nimmt Alex meinen Rucksack. »Wenn du gestattest«, sagt er.
Ich will widersprechen, aber dann sehe ich, dass er nur Schulheft und Kugelschreiber dabeihat. »Danke.«
Er geht vor mir zum vorderen Eingang der Schule und gibt mir dort den Rucksack zurück. »Wir sehen uns beim Dairy Dream «, sagt er. Bevor ich antworten kann, saust er den Flur entlang.
Eigentlich glaube ich gar nicht, dass meine Mutter heute zum Dairy Dream kommt, aber ich beschließe, trotzdem dort zu sein, nur für den Fall. Zach hat angeboten, mir wieder etwas zu essen zu bringen.
Ich verlasse das Schulgebäude und folge den anderen in Richtung Dairy Dream .
»Hallo, Sara.«
Ich wende mich um. Es ist Lauren. Ich warte, bis sie zu mir aufschließt. »Ist mit dem Telefonat alles in Ordnung gegangen?«
»Ja, vielen Dank.«
»Kein Problem.« Sie lächelt. »Übrigens, nächsten Monat gibt es in Detroit ein Konzert mit Keith Urban. Jay meint, er bringt uns hin. Wenn du mitkommen möchtest …«
»Ich wusste gar nicht, dass dein Bruder Countrymusic mag«, sage ich und schüttle überrascht den Kopf.
»Oh, er hält auch nicht viel davon. Aber er ist mir einen Gefallen schuldig.«
»Der arme Kerl ist dir immer einen Gefallen schuldig.«
»Und genau das gefällt mir.« Wir lachen beide.
»Nun, in dem Fall … Klingt gut. Hör mal, ich weiß, dass ich in letzter Zeit in meiner eigenen kleinen Welt eingeschlossen war …«
Lauren legt mir die Hand auf den Arm. »Du brauchst nichts zu erklären.« Ihre Stimme schwankt. »Ich dachte, dass du vielleicht mir die Schuld gibst. Du weißt schon. Wegen Matt.«
»Was? Natürlich nicht.«
»Ich meine, wenn du nach Hause zurückgekehrt wärst, anstatt …«
»Das ist meine Schuld, Lauren, nicht deine.« Ich schüttle den Kopf, um die Erinnerungen zu verscheuchen. »Wohin geht die Reise?«
»Zum Minimarkt.« Sie senkt die Stimme. »Wegen einer Frauensache. Ich habe heute Morgen vergessen, was in meine Handtasche zu legen. Manchmal bin ich ein bisschen geistesabwesend.«
»Manchmal?«
Sie versetzt mir einen leichten Stoß. »Und wohin willst du?«
»Zum Dairy Dream .«
»Allein?« Dünne Sorgenfalten bilden sich auf Laurens Stirn.
»Nein, ich treffe Zach.«
»Oh. Geht ihr miteinander?«, fragt sie.
»Nein, wir sind nur oft zusammen, seit …«
»Oh,
Weitere Kostenlose Bücher