Wie der Vater so der Tod
erfrierst du.«
»Wie sieht es aus, wenn ich eine Jacke anhabe und meine Freun… und das Mädchen, mit dem ich zusammen bin, friert sich einen ab?«
»Vielleicht nach einer modernen Beziehung?«
»Das gilt nur fürs Geschirrspülen. Komm, zieh die Jacke an! Ich möchte sehen, wie du damit aussiehst.«
»Na schön.« Ich schiebe die Arme in die Ärmel und posiere. »Nun?«
»Japp. Wie für dich geschaffen. Auch wenn die Ärmel zu lang sind. Wenigstens hast du darunter Platz genug für einen Stephen-King-Roman. Und mir scheint, unser Tisch beim Dairy Dream ist noch frei. Wer zuerst da ist!«
Alex schlägt mich, aber nur knapp (und weil er in Zeitlupe läuft). Als ich neben ihm auf die Bank sinke, ist er schon damit beschäftigt, unseren Lunch hervorzuholen.
» Subway? Du bist bei Subway gewesen? Bitte, sag mir nicht, dass du deshalb zu spät zum Geschichtsunterricht gekommen bist!«
»Natürlich nicht. An einem Spieltag schwänze ich nie. Ich bin gestern Abend dort gewesen. Deshalb sieht der Salat ein bisschen mitgenommen aus.«
Wir essen, und unter dem Kauen leidet das Gespräch. Ich komme nicht umhin, an Mom zu denken, und trotz meines Hungers fällt mir das Schlucken schwer.
Alex legt unter der Jacke den Arm um mich. »Was auch immer los ist, es wird alles gut«, sagt er. Solange er mich umarmt, kann ich es fast glauben.
»Danke. Hoffentlich. Danke auch für den Lunch. Und die Jacke.«
»Kein Problem. Nehmen wir uns jetzt Mathe vor?«
Ich blicke noch einmal zu den Wagen hinüber, die am Dairy Dream vorbeifahren.
»Ja«, sage ich. »Gehen wir zur Mathestunde.«
Es ist nicht nötig, bis nach dem Abendessen zu warten, um mir zusammen mit Mom The Winds of Change anzusehen, und deshalb schalte ich die Sendung live ein. Ich hoffe, dass meine Mutter die Folge ebenfalls mitbekommt, in einem weit, weit entfernten Hotelzimmer. Julia und Ramón gehen im Park spazieren, als jemand plötzlich einen Herzanfall erleidet. Julia hilft dem Mann sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen.
Ja! Sie erinnert sich daran, dass sie Krankenschwester im Beauford General war! Sie erinnert sich tatsächlich daran, aber wie üblich erzählt sie Ramón davon. Der behauptet, sie habe gerade einen Erste-Hilfe-Kurs im Krankenhaus hinter sich. Er lacht und meint, sie habe immer schon einen Hang zu Florence Nightingale gehabt.
Ich gehe hinaus, um Chester zu füttern. Er lahmt so sehr, dass er eine halbe Ewigkeit braucht, um über die Weide zu mir zu kommen.
»Ich weiß, Chester. Ich habe dir versprochen, dass sich jemand dein Bein ansieht. Ich kümmere mich sofort darum. Möchtest du mir Glück wünschen?«
Chester bewegt seinen Schweif. Ich klopfe ihm auf den Kopf, um mir selbst ein wenig Mut zu machen.
Dann gehe ich am Zaun entlang und betrete Mr. Jenkins’ Besitz. Sein Truck steht auf der Zufahrt. Das ist entweder gut oder schlecht, wie man’s nimmt. Zum letzten Mal habe ich vor etwa einem Jahr mit Mr. Jenkins gesprochen, als meine Mutter mich bat, ihm nach dem Tod seiner Frau einen Teller mit Plätzchen zu bringen. Er hat sie einfach in den Müll geworfen, während ich dabei zusah. Anschließend knallte er mir die Tür vor der Nase zu. Eigentlich sind sich er und mein Vater sehr ähnlich. Sie könnten gute Freunde werden.
Ich klingle und warte. Nichts passiert. Ich poche an die Fliegengittertür, öffne sie dann und klopfe an die richtige Tür. »Mister Jenkins? Mister Jenkins!«
Ich will es erneut versuchen, als die Tür plötzlich aufschwingt.
»Was zum Teufel willst du?«
Am liebsten möchte ich wegrennen, aber ich denke an Chester.
»Hallo, Mister Jenkins. Erinnern Sie sich an mich? Ich bin Sara, Ihre Nachbarin.«
Er starrt mich einfach nur an und sieht noch mürrischer aus als in meiner Erinnerung.
»Gestern habe ich Ihnen eine Nachricht wegen Chester hinterlassen. Sein Bein, erinnern Sie sich? Er lahmt, und inzwischen ist es viel schlimmer geworden …«
Mr. Jenkins wirft die Tür zu und schiebt den Riegel vor.
»Und nun …«, tönt es aus den Lautsprechern. »Ein herzliches Willkommen für die Marschkapelle der Highschool von Scottsfield!«
Trommelwirbel. Wir marschieren aufs Spielfeld, treten dem Publikum gegenüber und beginnen mit unserer Vorstellung. Melodien der Sechziger. Nur Mr. Sommers glaubt, dass sich jemand für so alte Musik interessiert. Selbst meine Mom kann sich nicht dafür erwärmen.
Mom. Wo bist du? Ich spiele ein hohes C und lasse es quieken. In dem ganzen Lärm bemerkt vermutlich niemand
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