Wie der Vater so der Tod
auch nicht zu, dass jemand anders die Tür öffnete. Als kleines Kind habe ich auch die Geschichten über Leute geglaubt, die Spinnen verschluckten, wenn sie schrien. Na ja, vielleicht kann ich das mit den Spinnen einarbeiten. Auf Campingplätzen gibt’s reichlich von ihnen. Ich will erneut seufzen, beherrsche mich aber, damit Mrs. Monroe nicht sauer auf mich wird. Dann zwinge ich den Kugelschreiber aufs Papier und schreibe.
Ich hasse das Campen. Ich meine, ich verabscheue es so richtig, von ganzem Herzen. Niemand von uns kann es ausstehen, bis auf meinen Vater, der liebt es. Meine Mutter und ich tun so, als wären wir ebenfalls ganz versessen darauf oder als würden wir es wenigstens nicht hassen. Mein Vater liebt beide Arten des Campens: im Zelt und im Wohnmobil. Das Campen im Zelt ist ziemlich laut, denn man ist mitten im Nichts, und alles, was man außerhalb des Zelts hört, ist beruhigend und natürlich. Alle anderen menschlichen Geräusche, die man gewöhnlich nicht hört, sind lauter als sonst. Man nehme nur die Reißverschlüsse. Die Reißverschlüsse am Zelt. Ratsch-ratsch-ratsch! (Mitte, Seite, Seite). Und dann die Reißverschlüsse an den Schlafsäcken. Ratsch! (Nach unten.) Ratsch! (Nach oben.) Und das in unserem Fall mal vier. Und dann der Reißverschluss des Sweatshirts, das man über dem Schlafanzug tragen muss, weil Dad gern mit uns zum Campen fährt, wenn es draußen kalt ist. Dann das Knallen der Kühlbox, wenn mein Vater den Deckel schließt, nachdem er ein Coke herausgenommen hat, das plötzliche Zischen, wenn er die Dose öffnet, und das Schlürfen und Schmatzen im Dunkeln, gefolgt vom Ratsch-ratsch-rasch, weil er anschließend auf die Toilette muss.
Viel besser als Campen ist Ramonas Ruhesitz, die Hütte, die wir früher jeden Sommer für eine Woche gemietet haben. Wir sind jedes Jahr dort gewesen, soweit ich mich zurückerinnern kann, bis auf letztes Jahr, wegen Matt. Selbst als wir noch in Philly wohnten, sind wir dorthin gefahren, denn mein Dad mochte Michigan sehr. Er wollte nur nicht im gleichen Staat wohnen wie sein Vater. Was erklärt, warum wir nach dem Tod seiner Eltern nach Michigan umgezogen sind.
Nach dem freien Schreiben entscheidet Mrs. Monroe, dass wir jeweils zu zweit die Arbeit durchgehen sollen, die wir am Montag abgeben müssen. Englisch ist ein Junior-Senior-Wahlpflichtfach, und Laurens älterer Bruder Jay ist bei uns in der Klasse. Mrs. Monroe sorgt dafür, dass wir uns zusammensetzen. Man weiß nie, was der Frau durch den Kopf geht.
»Hallo«, sagt Jay, als er sich neben mich setzt.
»Hallo. Hast du was mitgebracht?«
»Die Arbeit? Nein. Ich sauge mir Sonntag was aus den Fingern. Und du?«
»Hab noch nicht damit angefangen«, sage ich. Immerhin will ich am Montag gar nicht mehr da sein. »Aber hier, du kannst meine Geschichtsnotizen durchgehen, damit wir beschäftigt aussehen.«
»Ah, Geschichte. Wie ich hörte, gehst du in die gleiche Klasse wie Maloy. Man munkelt, dass er auf dich steht.«
»Alex?« Ich versuche, überrascht zu klingen, merke aber, dass ich erröte.
»Das dürfte ein Ja sein. Keine Sorge, bei mir ist dein Geheimnis sicher aufgehoben. Es sei denn, ich soll das Gerücht in die andere Richtung tragen.«
»Nein, danke. Das ist nicht nötig.«
Jay lacht. » Das ist nicht nötig «, äfft er mich nach. »Du machst mich fertig! Lieber Himmel, mir scheint, du hast den Vertrag von Versailles falsch geschrieben.«
»Mag sein. Das Sprachgenie meines Bruders hat leider nicht auf mich abgefärbt.«
»Auf mich auch nicht. Ich rede auch gar nicht über Versailles. Keine Ahnung, ob du das richtig geschrieben hast oder nicht. Ich meine das Wort Vertrag.«
»Rechtschreibung war nie meine Stärke.«
»Wohin geht sie wohl jeden Tag?« Jay deutet auf Mrs. Monroes leeres Pult. »Sie riecht nie nach Zigarettenrauch.«
»Ich glaube, es ist nur ein soziales Experiment. Sie möchte testen, ob sie uns trauen kann.«
Ein Stuhl quietscht. Ein anderer fällt um. Bamm!
»Und offenbar lautet die Antwort Nein«, sagt Jay und dreht sich zu Nick und Andrew um, die aufgesprungen sind und mit erhobenen Fäusten dastehen.
»Idiot!«
»Schwuchtel!«
Ich schätze, dass Andrew noch zehn Sekunden bleiben, bevor Nick ihn verprügelt. Aber Jay ist vorher zwischen ihnen und wendet sich an Nick.
»Aus dem Weg!«, knurrt Nick und versucht an Jay vorbeizukommen, der ihn ein ganzes Stück überragt.
»Das ist es nicht wert«, sagt Jay. »Vergiss es!«
Nick tritt nach rechts.
Weitere Kostenlose Bücher