Wie der Vater so der Tod
Leichentransports beseitigen wollte, hätte er das letzten Dienstag getan, an dem Tag, als Mom verschwand.
Ja.
An dem Tag, als ich spät nach Hause kam, nach dem Abendessen. Als mein Vater allein im Schlafzimmer saß, im Dunkeln.
Um mich abzulenken, gehe ich ins Haus und sehe mir The Winds of Change an. Julia hat sich die ganze Woche schlecht gefühlt und macht endlich einen Schwangerschaftstest. Jetzt sollte sie sich daran erinnern, dass sie einen solchen Test schon einmal gemacht und sich mit ihrem wahren Ehemann über das Ergebnis gefreut hat. Stattdessen teilt sie ihre Freude mit Ramón. »Wir bekommen ein Kind!«, ruft sie.
Morgen ist Dienstag, nach meinen Überlegungen der Tag, an dem meine Mutter zurückkehren müsste.
Was ist, wenn sie kommt und bleiben will?
Wenn sie beschließt, Dad zu vergeben, so wie sie es vorher immer getan hat?
Was mache ich dann?
Bleibe ich mit ihr hier?
Oder gehe ich allein fort?
Weit, weit weg.
Dorthin, wo mich mein Vater nie findet.
12
Dienstag
Zach und ich verbringen die Mittagspause wieder beim Dairy Dream . Ohne Alex.
»Willst du hier sitzen?«, fragt er und deutet auf unseren Tisch.
»Ich glaube, da klebt was«, sage ich, aber die Wahrheit ist: Ohne Alex möchte ich nicht an diesem Tisch sitzen.
»Bilde ich es mir nur ein, oder ist Misses Hamilton sauer auf uns? Vielleicht sollten wir was kaufen.« Zach dreht sich um und hält nach Leuten Ausschau, denen die bösen Blicke gelten könnten.
»Sie ist nur wegen Jessicas Nase sauer auf mich », sage ich schwach.
»Wieso?« Zach runzelt die Stirn.
»Offenbar sollte Jessica an dem Tag, als ich sie mit dem Volleyball traf, an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen. Und weil ihre Nase anschwoll und ganz rot wurde, hat sie nicht gewonnen.«
»Das dürfte wohl kaum der einzige Grund sein, warum sie nicht gewonnen hat.«
»Zach …«
»Ich weiß, ich weiß. Aber es ist die Wahrheit. Muss man nicht nett sein, um einen solchen Wettbewerb zu gewinnen?«
»Lassen wir das.« Ich hole die eingepackten Schinkensandwiches hervor und reiche Zach eins davon. »Du weißt doch, dass mein Vater auf Ordnung bedacht ist und immer alles an seinen Platz zurücklegt, nicht wahr?«
»Wow. Das ist wohl eine Untertreibung.«
»Gestern war ich in unserem Schuppen und habe bemerkt, dass die Schaufel fehlt.«
»Dass sie fehlt? Wie meinst du das?«
»Damit meine ich, dass sie nicht da ist.«
»Und?« Zach nimmt einen Bissen von seinem Sandwich.
»Könnte es deiner Meinung nach was bedeuten?«
»Was denn?«, fragt er und sieht mich seltsam an.
Ich muss daran denken, das Alex sofort verstanden hätte. Vielleicht liegt es daran, dass Zach keine Romane von Stephen King liest.
»Hältst du es für möglich, dass mein Vater … dass er die Schaufel benutzt hat, um … Könnte es sein, dass er meine Mutter irgendwo verscharrt hat?« Ich starre auf mein Sandwich und habe plötzlich keinen Hunger mehr.
Zach hört auf zu kauen. »Wow.«
»Würdest du bitte aufhören, Wow zu sagen? Ich meine, du hältst so etwas doch nicht für möglich, oder? Meine Mutter ist nur verschwunden, weil sie alles vorbereitet hat, nicht wahr?«
»Wahrscheinlich. Ich meine, vielleicht. Ich meine, wir sollten besser auf dem Feld und im Wald hinter eurem Haus nachsehen. Nur für den Fall.« Zach beißt erneut ab, wickelt den Rest des Sandwiches ein und steht auf.
Zach sollte mich beruhigen. Er sollte mir sagen, dass ich dummes Zeug rede. Ihn so nervös zu sehen, macht alles noch viel schlimmer. Ruckartig stehe ich auf und stoße mit dem Knie gegen die Tischkante. Das Sandwich werfe ich weg, ohne auch nur einmal abgebissen zu haben.
Inzwischen ist es ganz einfach, den Nachmittagsunterricht ausfallen zu lassen. In letzter Zeit habe ich es so oft getan, dass es zur Gewohnheit wird. Wir gehen einfach vom Dairy Dream zum Parkplatz und steigen in Zachs Wagen. Niemand hält uns auf, niemand stellt Fragen. Vermutlich hilft es, dass Scottsfield so klein ist: Es gibt keinen Parkwächter oder Sicherheitsbediensteten.
»Halt im Gras neben dem Wohnmobil!«, sage ich, als wir bei mir zu Hause sind. »Falls Jack vorbeifährt und meinem Vater Bericht erstattet.«
Seit dem Selbstmord meines Bruders wirft Jack bei seinen Streifen immer wieder einen Blick auf unser Haus und meldet Dad alles Außergewöhnliche. Ein Wagen vor dem Haus während der Schulzeit wäre zweifellos verdächtig.
Ich schließe die Beifahrertür und blicke über die Heufelder. Das hohe Gras wiegt sich im
Weitere Kostenlose Bücher