Wie der Vater so der Tod
zeigen sie meine Mutter: der Kopf gegen die Wand gestoßen, die Pfanne auf die Füße geworfen, der gebrochene Arm, die von der Wagentür verletzte Hand. Hätte ich etwas gesagt oder getan, würde dies jetzt nicht passieren. Ich habe es verdient. Ein Stiefel trifft meinen Rücken, und ich wimmere. Dann stapfen die Stiefel fort, und einige Sekunden lang herrscht Stille, bis auf das Summen einer Fliege dicht über meinem Kopf.
Ein Motor brüllt. Der Truck! Ich rechne damit, dass er sich entfernt, aber stattdessen wird das Gebrüll lauter – der Truck nähert sich. Mein Vater will mich überfahren!
Ich komme mühsam auf die Beine. Es ist wie in einem Traum, in dem ich auf den Schienen stehe, während das warnende Horn eines herankommenden Zugs ertönt. Aber ich kann mich nicht bewegen, denn es ist ja ein Traum, und im Traum gehorchen einem die Beine nicht.
Doch dies ist kein Traum, und es ertönt kein warnendes Horn. Nur ein Motor donnert, der des Trucks, dem es völlig gleichgültig ist, was ihm unter die Räder kommt.
Lauf! Lauf! Lauf! Weit weg! Bleib nicht stehen! Rums!
Meine Augen berichten meinem Bein von dem Baumstumpf, aber erst, als es schon zu spät ist. Ich stürze so schwer, dass mir der Aufprall den Atem raubt. Schwäche erfasst mich. Ich weiß nicht, ob ich wieder aufstehen kann. Plötzlich bedaure ich, mich nicht von Zach verabschieden zu können. Oder von Alex.
Alex! Himmel, wie sehr ich mich in den Geschichtsunterricht zurückwünsche. Ich stelle mir vor, beim Lesen von Stephen King eingenickt zu sein, und wie mir Alex an die Schulter klopft. Nein, besser noch: wie er mich aufs Ohr küsst. Und Papierflieger nach mir wirft. Was auch immer. Wie er irgendetwas tut, damit ich aufwache. Verdammt, warum kann ich nicht einfach aufwachen?
Bremsen quietschen, und der Truck bleibt eine Armlänge vor meinem Kopf stehen. Ich spüre seinen heißen Atem, der mir übers Gesicht streicht. Dann höre ich, wie das Getriebe protestiert, als der Ganghebel in eine Richtung gerissen wird, die er nicht mag. Mit durchdrehenden Rädern setzt der Truck zurück und pflügt dabei übers Feld. Dann rollt er wieder nach vorn, diesmal nicht auf mich zu, sondern in Richtung Zufahrt und Straße.
Ich sehe zum Himmel hoch. Die Wolken ziehen friedlich dahin, als wäre überhaupt nichts geschehen. Wie in der Schule: Alle denken voller Sorge an die Ergebnisse der letzten Mathearbeit oder daran, ob sie in einem bestimmten Hemd dick aussehen. Es erscheint mir absurd, dass alles seinen gewohnten Gang geht, obwohl sich meine Welt völlig verändert hat.
Wie konntest du mich verlassen, Mom?
13
Mittwoch
»Sara?«
Ich sehe von dem Buch auf, in dem ich nicht gelesen habe. Mrs. Monroe steht an der Tür und winkt mich zu sich. »Du wirst im Büro des stellvertretenden Schulleiters erwartet.«
Ich? Bin ich in Schwierigkeiten? Oder …
Plötzlich klopft mein Herz schneller. Bitte, bitte! Wenn ich fest genug daran glaube, wird es vielleicht wahr.
Alle Vorstellungen, dass Dad irgendwie meine Mom umgebracht hat, sind nur das: Vorstellungen, ein Produkt meiner Phantasie. Vielleicht liegt es daran, dass ich zu viel Horror gelesen und mir zu oft The Winds of Change angesehen habe. Meine Mutter ist gekommen, um mich wie geplant abzuholen.
Altman ruft mich zu sich, weil ich geschwänzt habe. Das ist der Grund. Das Schwänzen. Meine Mutter ist nicht hier. Es geht um den Unterricht, den ich versäumt habe. Für alle anderen ist er wichtig, für mich nicht mehr.
»Nein! Es ist meine Mutter!« So wie mich die anderen ansehen, habe ich die Worte vielleicht laut ausgesprochen. Ich lasse das Englischbuch liegen und nehme meinen Rucksack. Es ist meine Mutter. Ganz bestimmt. Ich beiße die Zähne zusammen.
Mrs. Monroe klopft mir auf die Schulter, als ich an ihr vorbeirausche. »Bestimmt ist es nichts Schlimmes.«
Ich eile mit langen Schritten über den Flur, an den neuen gelben Spinden vorbei, die erst dieses Jahr montiert wurden und den älteren Schülern vorbehalten bleiben. Dann biege ich um die Ecke und erreiche den Flur mit den grauen Spinden. Dort steht Alex, über den Brunnen gebeugt, und trinkt den halben Wasservorrat von Scottsfield. Er ist nicht in seiner Klasse. Welche Überraschung. Vielleicht verbringt er mehr Zeit auf den Fluren als in den Klassenzimmern.
Ich zögere wie ein Eichhörnchen, das plötzlich im Scheinwerferlicht eines Autos erscheint und wie gelähmt verharrt. Wenn meine Mutter hier ist, muss ich mich beeilen. Dann darf
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