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Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Bilen
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ich keine Zeit mit irgendwelchen Gesprächen vergeuden. Aber: Wenn meine Mutter hier ist, bedeutet es auch, dass ich Alex nie wiedersehen werde.
    Wie sich herausstellt, brauche ich gar keine Entscheidung zu treffen. Kaum richtet Alex den Blick auf mich, schmilzt meine Entschlossenheit wie Schnee in der Sonne.
    »Hallo, Sara«, sagt er.
    »Hallo.« Vergiss nicht zu atmen!
    Er betrachtet seine Schuhe.
    Bevor ich einen klaren Gedanken fassen kann, gehe ich auf ihn zu. Wenn ich Scottsfield verlassen muss, kann ich nicht einfach alles so lassen, wie es ist. Ich strecke die Hände nach oben, lege sie auf zwei entzückende Ohren und ziehe sein Gesicht zu mir herunter. Gott, ich liebe dich, Alex Maloy. Wie schade, dass ich nicht bleiben kann. Dann küsse ich ihn. Ich meine, ich küsse ihn richtig .
    »Wow.« Er grinst glücklich und verwirrt.
    »Wann hörst du endlich mit dem Schwänzen auf?«
    Das Grinsen verschwindet.
    Du ruinierst diesen Moment, Sara.
    »Willst du die Wahrheit hören?«
    »Ja, die Wahrheit wäre gut.«
    »Ich weiß es nicht. Seit sie Jimmy nach Afghanistan geschickt haben …«
    »Wie bitte? Dein Bruder ist in Afghanistan?« Jimmy hat vor zwei Jahren hier in Scottsfield seinen Abschluss gemacht.
    Alex tritt nach der Ecke eines Spinds. »Schule, Klassen, Noten … Das alles verliert an Bedeutung, wenn der eigene Bruder …« Er schüttelt den Kopf.
    »Dein Bruder wünscht sich bestimmt, dass du erfolgreich bist. Selbst wenn er …« Und dein Bruder, Sara, wünscht sich bestimmt, dass du seinen besten Freund nicht länger mit ihm verwechselst. Er wünscht sich bestimmt, dass du dir keine Vorwürfe mehr wegen einer Tat machst, zu der er sich entschlossen hat.
    »Mist, da kommt Altman!« Alex nimmt meinen Arm und zieht mich um die Ecke. »Geh in die Klasse zurück! Ich halte dir den Rücken frei.«
    »Nein, schon gut. Er hat mich zu sich bestellt. Geh du zum Unterricht. Ich halte dir den Rücken frei.«
    Alex runzelt die Stirn. »Eigentlich wollte ich gar nicht zum Unterricht zurück.« Er beugt sich zu mir herab und gibt mir noch einen sanften Kuss. »Aber ich gehe, für dich.« Er lächelt wieder, joggt durch den Flur und winkt.
    Ich lächle und winke zurück. »Leb wohl, Alex«, flüstere ich. Sosehr ich mir auch wünsche, dass meine Mutter kommt und mich abholt … Ich wäre gern geblieben, um jeden Tag sein Gesicht zu sehen. Mit den Fingerspitzen streiche ich mir über die Lippen und erinnere mich an die Küsse.
    Alex verschwindet hinter der einen Ecke, Altman biegt um die andere.
    »Da bist du ja, Sara. Beeil dich, ich habe auf dich gewartet!« Er wendet sich um und kehrt zu seinem Büro zurück.
    Ich habe auf dich gewartet? Nicht: Deine Mutter wartet auf dich.
    Ich erstarre, und meine Freude löst sich im Nu in Luft auf. Dann schüttle ich den Kopf. Reiß dich zusammen, Sara! Sie ist hier. Sie muss hier sein.
    Ich haste zu Altmans Büro. Als ich dort eintreffe, bin ich außer Atem und weiß nicht recht, was der Grund dafür sein mag: das Laufen, die Küsse oder die Furcht, dass meine Mutter nicht da ist. Ich sehe mich im Büro um: Altman sitzt an seinem Schreibtisch, auf dem mehrere Zeitschriften liegen, und nimmt einen Schluck Kaffee aus einem Becher, auf dem Zeig Verständnis geschrieben steht. Er deutet auf einen Holzstuhl. Keine Spur von Mom. Vielleicht holt sie für den Umzug meine Unterlagen aus einem anderen Büro.
    Ich habe keine Zeit, mich zu setzen, aber ich nehme trotzdem Platz, auf dem Rand des Stuhls, so wie in der Marschkapelle. »Ja?«, frage ich und überlege, welchen Grund Mom für unseren Umzug genannt hat.
    »Wie läuft die Schule für dich, Sara?«
    »Wie die Schule für mich läuft? Gut.« Was soll der Blödsinn? Wen kümmert’s, wie die Schule für mich läuft?
    »Was ist mit Mathe?«
    Will er mir vielleicht raten, im nächsten Jahr eine leichtere Matheklasse zu wählen? »Alles in Ordnung, denke ich.«
    »Ich habe gehört, dass du in der vergangenen Woche dreimal den Mathematikunterricht versäumt hast. Und auch Chemie.«
    Mom ist nicht hier. Ich sacke auf dem Stuhl in mich zusammen.
    »Kann sein.«
    »Kann sein?« Altman wölbt die Brauen.
    »Ja, ich habe den Unterricht versäumt. Weil ich zum Zahnarzt musste.«
    »An allen drei Tagen?«
    »Ich war beim Kieferorthopäden, um ganz genau zu sein. Weil ich eine Zahnspange bekomme.«
    »Tatsächlich? Deine Zähne scheinen mir nicht krumm zu sein.«
    »Danke.«
    »Derzeit sind die Fehlstunden als unentschuldigt

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