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Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Bilen
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Boden.
    »Hände auf den Rücken.« Es klingt so absurd, dass ich am liebsten laut gelacht und gesagt hätte: Himmel, Dad, du hast zu oft Die Aufrechten gesehen . Aber mein Vater hat das alles unmittelbar erlebt, Tag für Tag.
    Er fesselt mich so, dass die Kette der Handschellen hinter dem im Boden verankerten dicken Tischbein verläuft. Dafür muss er die Waffe hinlegen. Dies ist meine Chance.
    Ich versuche aufzustehen und schreie los, obwohl der Rest der Welt zu weit entfernt ist, um mich zu hören.
    Ich bin nicht schnell genug. Die Handschellen sitzen fest. Ich schreie weiter, mein Vater nimmt die Waffe und richtet sie auf mich. Er scheint zorniger geworden zu sein und könnte beim nächsten Mal tatsächlich abdrücken.
    Ich höre auf zu schreien. Er nimmt eine Rolle Klebeband, reißt einen Streifen ab und kommt auf mich zu. Mein Puls rast.
    »Halt still!«, sagt er und drückt mir das Klebeband auf den Mund.
    Dad verlässt das Wohnmobil und kehrt kurze Zeit später mit Zach zurück, fesselt auch ihn an ein Tischbein. »Ich hätte gern darauf verzichtet«, sagt er und zaust Zach das Haar.
    Auch ich stelle mir Zach gern als meinen Bruder vor. Aber ich weiß wenigstens, dass er in Wirklichkeit jemand anders ist.
    Ich könnte heulen.
    Mein Vater verklebt auch Zach den Mund, auch wenn der noch immer bewusstlos ist. Dann holt er eine Plastiktischdecke hervor, wie sie meine Mutter immer über unseren Picknicktisch breitet. Er legt sie so über den Tisch, dass sie uns bedeckt, und er verwendet sogar die Klammern, damit sie nicht verrutscht.
    Die Schuhe quietschen auf der Treppe, und die Tür fällt zu. Das Wohnmobil bewegt sich ein bisschen, als mein Vater vorn einsteigt. Er schließt die Tür, startet den Motor und pfeift vor sich hin.
    Das Wohnmobil schaukelt und rasselt und rollt durch die Kurven. Bei jedem Stoß löst sich eine Träne aus meinen Augen, obwohl ich sie zurückhalten will. Ich weiß: Wenn ich weine, kann ich nicht mehr aufhören. Mir wird übel, und ich fürchte plötzlich, dass ich mich erbrechen muss – mit dem Klebeband auf dem Mund würde ich ersticken! Die Handschellen drücken an den Handgelenken, und es tut mir überall weh.
    Dann höre ich das herrlichste Geräusch auf der ganzen Welt: eine Sirene. Hoffentlich sind wir damit gemeint!
    Das Wohnmobil wird langsamer, und ich spüre, wie es sich zur Seite neigt, als wir rechts auf den tieferen Seitenstreifen geraten. Wir halten an, und ich spüre ein kurzes Zittern, als ein Wagen an uns vorbeirauscht. Gleich darauf fahren wir wieder los.
    In meinem Buch Was alles passieren kann steht nichts über die Befreiung von Handschellen. Ich verfluche mich dafür, nicht die zweite Ausgabe der Reihe gekauft zu haben – es bedeutet, dass ich auf mich allein gestellt bin.
    Ich habe solche Angst, Mom. Ich war wirklich überzeugt, du würdest mich abholen. Du fehlst mir.
    Du und Matt, ihr müsst mir helfen, Zach auf irgendeine Weise in Sicherheit zu bringen. Er ist so gut zu uns gewesen. Wird Zeit, dass wir uns erkenntlich zeigen.
    Ich schließe die Augen und versuche, an etwas anderes zu denken. Ich stelle mir vor, dass Alex neben mir sitzt und den Arm um mich legt. Wie spät ist es? Die Schule müsste inzwischen aus sein. Was Alex wohl gedacht haben mag, als er zum Geschichtsunterricht zurückkehrte und ich nicht mehr da war? Hat er beim Dairy Dream gewartet? Und was dachte er, als ich weder beim Dairy Dream noch in der Matheklasse erschien? Oder vielleicht hat er Mathe geschwänzt. Würde er nach mir suchen? Ich denke daran, wie ich ihn geküsst habe, bevor ich zu Altman gegangen bin.
    Die Fahrt wird immer unruhiger, und nach einer Weile höre ich nicht mehr das Wusch vorbeikommender Wagen. Wir fahren viel langsamer, aber die Schlaglöcher sind schlimmer, und ich stoße immer wieder mit dem Kopf gegen den Tisch. Wir sind so oft abgebogen, dass ich mir die Strecke unmöglich merken konnte. Selbst wenn es mir gelungen wäre, nach draußen zu entkommen, ich hätte nicht nach Hause zurückgefunden.
    Schließlich halten wir an. Das Brummen des Motors verstummt, und ich höre ein dumpfes Rauschen – offenbar sind wir in der Nähe eines Flusses. In meiner Magengrube krampft sich etwas zusammen. Will Dad uns ertränken? Hat er das mit Mom getan? Das Klebeband auf dem Mund macht mir das Atmen ohnehin schwer, aber bei diesem Gedanken kriege ich plötzlich überhaupt keine Luft mehr.
    Immer mit der Ruhe, Sara! Denk gründlich nach! Was sagte Dad, als ich die Sachen

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