Wie der Vater so der Tod
King, den Alex mir geliehen hat.
Dad begleitet mich ins Wohnzimmer und bedeutet mir, auch Matts – Zachs – Rucksack zu nehmen. »Ladies first.«
Mit zwei Reisetaschen, einem Rucksack und dem Buch in der Hand gehe ich durch die Küche. Ich schwanke nach links, gebe vor, das Gleichgewicht zu verlieren, und lasse eine der beiden Taschen fallen. Dann springe ich zum Telefon, stoße dabei einen Stuhl um, nehme ab und drücke die Sprechtaste. Mein Vater versucht nicht, mich aufzuhalten.
Kein Freizeichen.
Dad sieht mich an wie damals, als ich fünf war und ihn fragte: »Kann ich bitte noch ein Plätzchen haben?« Woraufhin er sagte: »Es sind keine mehr da.« Ich wollte nachsehen, und er ließ mir meinen Willen, zeigte Geduld. Wenn ich dann vor der leeren Keksdose stand, teilte mir sein Blick mit: Siehst du? Ich hab’s dir ja gesagt .
Und wie damals, als ich fünf war, sagt mein Vater jetzt: »Komm schon, Sara. Gehen wir.«
Ich hebe die Reisetasche auf und gehe mit langen Schritten – schnell genug, um einige Sekunden vor meinem Vater draußen zu sein, aber nicht so schnell, dass es nach Flucht aussieht.
Draußen zwitschern die Vögel, die Sonne scheint, und der Wagen, der am Ende unserer eine Viertelmeile langen Zufahrt vorbeifährt, scheint für mich so weit entfernt zu sein wie die Sterne am Nachthimmel.
Ich werfe Alex’ Buch wie ein Frisbee über den Rasen. Wenn er erfährt, dass ich Mr. Robertsons Klasse einfach so verlassen habe und nicht zurückgekehrt bin, kommt er vielleicht her, um nach dem Rechten zu sehen. Ich kann nur hoffen, dass er das Buch dann findet und begreift, dass etwas nicht in Ordnung ist. Wenn er die Seite aus dem Soap Opera Digest sieht … Vielleicht erinnert er sich daran, dass Zach mich wegen der vielen Magazine aufgezogen hat, die ich in tadellosem Zustand aufbewahre. Hoffentlich denkt er nicht, dass ich achtlos geworden bin oder auf dem Rasen in der Sonne gelesen habe. Doch selbst wenn er zu dem Schluss gelangt, dass etwas nicht stimmt: Woher kann Alex wissen, wo er mich suchen soll, wenn ich nicht einmal selbst weiß, wohin mich mein Vater bringen will?
Für mich ist das auf dem Rasen liegende Buch so auffällig wie eine Plakatwand, aber Dad scheint es nicht zu bemerken. Er deutet einfach auf das Wohnmobil, das wie üblich neben dem Schuppen steht. Als wir an der offenen Tür des Schuppens vorbeikommen, sehe ich, dass der Truck meines Vaters darin abgestellt ist.
Hervorragend, Sara, sage ich mir. Du hast in der Garage nachgesehen, aber nicht im Schuppen. Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass Dad seinen Truck nie im Schuppen parkt. Was bedeutet, dass er dies alles geplant hat und wusste, dass ich nicht freiwillig mitkäme.
Vor der Treppe des Wohnmobils zögere ich. Das ist doch absurd. Lauf, Sara, lauf! Dies ist deine letzte Chance! Aber wohin soll ich laufen? Wir sind hier mitten im Nichts, und der einzige Nachbar würde nicht einmal die Tür für mich öffnen.
Dad ist hinter mir und stößt mich mit der Waffe an. Mein Herz hört fast auf zu schlagen. Ich steige die Treppe hinauf und betrete das Wohnmobil. Drinnen riecht es nach Thunfisch und Cheerios-Zerealien, dem Lieblings-Campingessen meines Vaters. Jetzt, da ich drin bin … Ich frage mich, ob ich das Wohnmobil jemals wieder verlassen werde.
Mein Vater nimmt die Taschen und verstaut sie irgendwo, drückt mich dann auf die Sitzbank neben dem Tisch. Die Wände scheinen sich mir zu nähern, und alles wird noch kleiner und enger als in meiner Erinnerung. Ich muss hinaus! Womit kann ich das Fenster zertrümmern?
Dad öffnet in aller Seelenruhe eine Schublade und holt etwas heraus. Handschellen. Er wirft sie mir zu. »Leg sie an!«
Im Ernst?
Er richtet die Waffe auf mich. Und wenn ich mich weigere? Wäre er wirklich fähig, auf mich zu schießen? Vermutlich hat er Mom erschossen. Was bedeutet, dass er auch mich und Zach erschießen wird. Wenn nicht gleich, dann später. Vielleicht sollte ich es sofort hinter mich bringen.
Ich zögere, aber nur für einen Moment. Sosehr ich mein derzeitiges Leben auch hasse, ich möchte nicht, dass es endet. Selbst wenn ich Matt wiedersehen könnte. Und Mom. Ich lasse die Schellen an einem Handgelenk zuschnappen.
»Setz dich auf den Boden!«
Ich will nicht. Ich will auf der Bank sitzen bleiben und mir einbilden, alles sei normal. Ich will mich nicht auf den Boden setzen, wo ich nicht einmal sehe, wohin wir fahren.
»Na los, Sara!«, blafft mein Vater.
Ich gleite zu
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