Wie der Vater so der Tod
sie die Zigarette in einem gläsernen Aschenbecher aus. »Nummer elf«, sagt sie.
Meine Aufregung steigt. »Okay, vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Die Frau ist schon wieder auf den Fernseher konzentriert.
Draußen gehen Zach und ich den Weg zwischen den Lagereinheiten entlang, und ich komme mir vor wie in einem Film. Ich sehe alles, aber ich scheine nicht wirklich hier zu sein. Rasen mit Unkraut, Löwenzahn. Eine Kröte, die vor uns herhüpft und so schnell ist, dass wir nicht drauftreten, obwohl sie unmittelbar vor uns bleibt, nicht nach rechts oder links ausweicht. Zach nimmt meine Hand. Sie fühlt sich kühl und selbstsicher an. Meine ist warm und klebrig. Wir erreichen Einheit elf, und ich reiche Zach den Zettel mit der Kombination.
»Bitte, mach du das!«
Zach gibt den Code ein, und das Schloss klickt metallisch. Dann zieht er die Rolltür hoch.
Ich höre ein Wimmern und merke, dass ich es selbst bin. Meine Hand krallt sich in Zachs Hemd, und ich drücke das Gesicht an seine Schulter.
»Das kann nicht sein. Es kann einfach nicht sein.« Der Wagen meiner Mutter. Ich habe das Gefühl zu ersticken und halte mich noch immer an Zach fest, als ich den Kopf wende und erneut zum Auto sehe. Etwas stimmt nicht damit.
Der Wagen glänzt, als käme er gerade aus der Waschstraße. Was kaum einen Sinn ergibt, denn meine Mutter fürchtet sich vor Waschstraßen, genau wie ich. Sie hat Angst davor, das Lenkrad falsch zu drehen, den falschen Gang einzulegen oder im Wagen gefangen zu sein, ohne dass jemand was merkt. Matt ist immer für sie durch die Waschstraße gefahren. Es war eine seiner Aufgaben: entweder den Wagen zu Hause per Hand zu waschen oder ihn zur Waschanlage in Brookton zu bringen. Meistens fuhr er zur Waschanlage, zum einen, weil er faul war, und zum anderen, weil er aus dem Haus wollte, nehme ich an. Nach seinem Tod habe ich das mit dem Autowaschen übernommen. Und so habe ich den Wagen nicht zurückgelassen. Gewöhnlich wasche ich ihn am Wochenende, aber nicht am letzten, denn da hatte ich gar keine Gelegenheit dazu – das Auto war weg, zusammen mit meiner Mutter.
Ich spähe durchs Seitenfenster ins Wageninnere. Alles sieht normal aus, nur noch sauberer als sonst. Ich mache Anstalten, die Tür zu öffnen.
»Wir sollten besser nichts anfassen«, sagt Zach. Er zieht sich das Hemd aus der Hose und öffnet damit die Fahrertür. Vor dem Beifahrersitz liegt das Handy meiner Mutter.
Zach öffnet den Kofferraum, während ich einen Blick in den Fond werfe. »Hier liegt ein Koffer«, sagt er. Ich trete näher. Es ist der Koffer, den meine Mutter für unsere Flucht gepackt hat.
Diesmal versuche ich nicht, mir irgendwelche Erklärungen einfallen zu lassen, hoffnungsvolle Geschichten, die einen Grund für alles nennen. Meine Mutter ist tot. Mein Vater hat sie umgebracht.
Ich will nur noch nach Hause. Zu Mom. Die aber nicht zu Hause ist und nie wieder zu Hause sein wird.
Zach holt sein Handy hervor. »Ich rufe die Polizei.«
Ich schüttle den Kopf. Mein Kopf ist voller Stimmen. Die Stimmen meiner Eltern, selbst Matts Stimme. »Hast du … hast du irgendwo Blut gesehen?«
»Nein, aber das bedeutet nicht …«
»Wenn mein Dad mit Jack redet …« Ich sehe dessen Wolfsaugen.
»Ich weiß. Er würde der Polizei einreden, dass er nichts mit dem Verschwinden deiner Mutter zu tun hat, dass sie aus freien Stücken gegangen ist.«
»Bring mich nach Hause, Zach! Ich muss ein paar Sachen holen.«
»Sara …«
»Bitte, Zach! Bring mich einfach nur nach Hause.«
14
Mittwoch
»Und wenn dein Vater zu Hause ist?«, fragt Zach und legt den Sicherheitsgurt an.
»Ausgeschlossen. Es ist erst halb eins. Selbst wenn er krank ist, macht er bei der Arbeit keine Minute früher Schluss.« Um ganz sicherzugehen, werfe ich einen Blick in die Garage, als wir bei mir zu Hause sind. Kein Truck. Derzeit ist die Luft rein.
Zach nimmt mich bei der Hand, und wir gehen ins Haus. »Ich hole nur ein paar Sachen«, sage ich. Vor allem Moms Halskette. Und Sam, so dumm und blödsinnig das auch sein mag. »Kommst du mit?« Ich halte seine Hand ein wenig fester.
»Natürlich«, sagt Zach. Wir durchqueren das Wohnzimmer, und plötzlich nehme ich den Geruch von Obst wahr. Orangen. »Riechst du das?«, frage ich Zach.
Er nickt.
Ich sehe mich um. Es sieht meinem Vater gar nicht ähnlich, dass er irgendwo einen Teller mit Orangenschalen zurücklässt. Nichts.
Dann erstarre ich.
Dad sitzt im Esszimmer am Tisch und isst Orangenscheiben. Mein Herz
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