Wie deutsch ist das denn?!
kaum essbare, frittierte Technicolor-Wurst. « [5] Also nichts weiter als Junkfood?
Nun, letzten Endes ist das Geschmacks- und Ansichtssache. Publikumsliebling Herbert Grönemeyer zum Beispiel vertrat 1982 in seinem Ruhrpott-Kultsong » Currywurst « einen völlig anderen Standpunkt: » Kommse vonne Schicht, wat Schönret gibt et nich als wie Currywurst. « Sternekoch Eckart Witzigmann ist– man lese und staune– bekennender Currywurst-Fan. Im November 2009 verlieh der Edelrestaurantführer Gault Millau (!) einer Hamburger Currywurstbude höchste Weihen. Und wollen Politiker sich volksnah geben, in was beißen sie mit Vorliebe vor laufenden Kameras? Frag nach bei Altkanzler Gerhard Schröder. Irgendetwas muss also dran sein an diesem Stück Wurst mit Sauce.
Anerkannte Erfinderin der Currywurst ist die Berlinerin Herta Heuwer, die in der Nachkriegszeit einen Imbissstand im Stadtteil Charlottenburg, im damals britischen Sektor der Stadt, betrieb. Am 4. September 1949 soll sie auf ihre glorreiche Idee gekommen sein– möglicherweise angeregt durch die amerikanische Spezialität » Steak mit Ketchup « , die sie von den US -Besatzungstruppen her kannte. Nun, Steaks waren für die Berliner in jenen Jahren Luxus, also griff Frau Heuwer ersatzweise zu einer Brühwurst aus Schweinefleisch. An Ketchup war ebenfalls schwer zu kommen– den gab es 1949 so wenig im Laden zu kaufen wie amerikanische Zigaretten oder Kaugummi. Also vermischte sie Tomatenmark mit ein paar anderen der damals verfügbaren Zutaten, um wenigstens etwas Ähnliches hinzubekommen. Und weil das Wetter gerade schlecht war und kein Gast sich blicken ließ, experimentierte sie noch mit zusätzlichen Gewürzen herum. Vermutlich bei britischen Soldaten hatte sie Worcestershire-Soße und Currypulver abgestaubt– also rein damit. Und wie wir heute wissen: Die so zusammengerührte Pampe war tatsächlich genießbar. In einem späteren Interview kommentierte Frau Heuwer ihr Zufallsrezept lakonisch: » Es goss kleene Kinderköppe, keen Mensch war an meiner Bude. Aus Langeweile rührte ich Gewürze mit Tomatenmark zusammen. Und es schmeckte herrlich. « [6]
Was also lag näher, als die neue Spezialität ins Angebot aufzunehmen? Herta Heuwer tat es – und siehe da, die Currywurst erwies sich als derartiger Verkaufsschlager, dass ihre Erfinderin bald ein größeres Lokal aufmachen konnte. 1958 meldete sie ihre Soße unter dem Namen » Chillup « sogar zum Patent an, und tatsächlich wurde der Patentschutz am 21. Januar 1959 offiziell verbrieft. Was natürlich niemanden daran hindern konnte, ähnlich schmeckende Soßen zusammenzukleistern – so verbreitete sich die Idee schnell über weite Teile Deutschlands, neben Berlin vor allem in Hamburg und im Ruhrgebiet.
Ab 1960 machte die Currywurst auch in der DDR Karriere: Günter Konnopke, Sohn des Ostberliner Imbissbudenbetreibers Max Konnopke, entdeckte sie während seiner Metzgerlehre im Westen und erfand gemeinsam mit seinem Vater eine eigene Soße. In ihrem Kiosk am Prenzlauer Berg landeten die Konnopkes damit einen Riesenerfolg, und so war die Currywurst – mit welcher Soße auch immer – schon früh ein gesamtdeutscher Hit. Heute gilt » Konnopke’s Imbiss « nicht nur als das Berliner Currywurst-Mekka, sondern als regelrechte Institution, die zur Stadt gehört wie der Fernsehturm und das Brandenburger Tor.
Aber nun die Gretchenfrage: Wie deutsch ist das Ganze denn eigentlich?
Nehmen wir die rotbraune Würzpampe mal unter die Lupe. Ihr Grundbestandteil sind Tomaten– für uns heute eine selbstverständliche und allgegenwärtige Frucht, aber 1949 in Deutschland noch nicht sehr verbreitet. Ursprünglich stammt die Tomate aus Mittel- und Südamerika, und ihr Name leitet sich aus der Aztekensprache Nahuatl ab: tomatl. In Europa fand sie bis weit ins 18. Jahrhundert hinein fast ausschließlich als Zierpflanze Verwendung; nur in Italien und England war sie auch als Nahrungsmittel populär. Erst ab 1900 hielten Tomatensalat und Tomatensuppe langsam auch bei uns Einzug.
Bis die Tomate ihren Weg in den Ketchup fand, verging nach der Entdeckung Amerikas ebenfalls eine lange Zeit. Eigentlich hat das Wort Ketchup mit Tomaten gar nichts zu tun: Sein Ursprung ist zwar nicht vollständig geklärt, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stammt es aus dem Fernen Osten. Möglicherweise ist es von kecap abgeleitet, einer indonesischen Variante der Sojasoße. Es könnte auch aus China stammen, wo gegen Ende
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