Wie deutsch ist das denn?!
B beginnt. Aber hätten Sie zum Beispiel auch gewusst, dass die Bundesrepublik über die bedeutendste Zuckerrohrindustrie der Welt verfügt? Dass ihre Fußballnationalmannschaft schon fünf Mal Weltmeister war? Oder dass nur 1,5 Millionen Bundesbürger die deutsche Sprache beherrschen, dafür aber 97 Prozent der Bevölkerung ein Idiom, das entfernt wie Portugiesisch klingt?
Für Leser, die spätestens jetzt die Stirn runzeln: Es hat alles seine Richtigkeit. Denn gemeint ist natürlich nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern ein Land, das 45 Längengrade weiter westlich liegt– die Bundesrepublik Brasilien (República Federativa do Brasil). Und so weit wie der Amazonas vom Rhein sind wir Deutschen auch davon entfernt, diese Staatsform erfunden zu haben: In der Heimat von Samba und Lambada wurde sie schon 1891 erstmals begründet, also stramme 58 Jahre vor der ersten echten Bundesrepublik auf deutschem Boden. Allerdings wackelte der brasilianische Staat in den folgenden Jahrzehnten erheblich und durchlief diverse Diktaturen, wie man es praktisch von allen lateinamerikanischen Ländern kennt. Erst seit 1985 ist Brasilien eine gefestigte Demokratie, und 1993 wurde per Volksabstimmung die Rückkehr zum Staatsmodell der Bundesrepublik beschlossen, also zu einem Zusammenschluss mehrerer teilsouveräner Staaten unter einer gemeinsamen Zentralregierung. 26 Bundesstaaten und ein Bundesdistrikt (Distrito Federal) bilden seitdem ein Staatsgefüge, das sich im Grundsatz kaum von unserem deutschen unterscheidet– nur dass die Regierungschefin nicht Bundeskanzlerin, sondern Präsidentin heißt und das Amt der Bundespräsidentin gleich mit bekleidet.
Dies nur als Beispiel. Denn Brasilien ist keineswegs unser einziger Bundes-Genosse auf einem Planeten der Königreiche, Volks- und Präsidialrepubliken. Ganz im Gegenteil, die Idee des Föderalismus zieht sich rund um die Welt: Bundesrepubliken sind neben Deutschland und Brasilien auch Österreich, die Schweiz, Bosnien und Herzegowina, Russland, Irak, Äthiopien, Somalia, Sudan, Südsudan, Nigeria, die Komoren, Pakistan, Indien, Nepal, Mikronesien, die USA , Mexiko, Venezuela und Argentinien. Macht 21 Staaten in sämtlichen Breiten und Zeitzonen dieser Erde.
Andere Bundesrepubliken wiederum sind längst Geschichte, wie die Republiek der Zeven Verenigde Provinciën in den Niederlanden (1588 – 1795) oder die República Federal de Centro América (1824 – 1839).
Das Urvorbild besteht dagegen noch heute in fast unveränderter Form: Es ist die Schweiz, entstanden schon im Spätmittelalter als » Confoederatio Helvetica « . Der Legende nach liegt ihrer Gründung der berühmte Rütlischwur zugrunde, den wir aus Schillers Vers » Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern « kennen.
Hat man allerdings je erlebt, dass in Presseberichten über eines dieser Länder von der » Bundesrepublik « die Rede ist? Nein, mit eingespieltem Automatismus schnurrt immer nur Deutschland (bzw. früher sein westlicher Teil) auf diese Kurzformel zusammen, sodass man tatsächlich meinen könnte, wir seien die einzigen Bundesrepublikaner des Erdenrunds. Allenfalls– und sogar bemerkenswert oft– taucht in den Medien die Bezeichnung » Bundesrepublik Österreich « auf. Womit die Autoren leider keine Chance hätten, bei Günther Jauch die Million abzustauben: Die frühere k.u.k. Monarchie ist zwar eine Bundesrepublik, sie heißt aber (wie diverse andere) nicht so, obwohl es auch in Österreich die Ämter des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten gibt.
» Ja in der Bundesrepublik, da machen alle gern Musik « , sang die italienische Schlagernudel Rita Pavone Anfang der Siebzigerjahre. Das jedenfalls passt länderübergreifend– ganz besonders aber auf Brasilien.
Currywurst
Indien liegt in Charlottenburg
Da mögen kultivierte Feinschmecker noch so sehr Nasen, Gaumen und sonstige Sinnesorgane rümpfen– die Currywurst gehört unzweifelhaft zu Deutschland, und das nun schon seit mehr als sechs Jahrzehnten. Unausrottbar beherrscht sie neben Hamburgern, Döner und Pizza unser nationales Schnellimbiss-Wesen. Und so pikant wie die Sauce, so ätzend sind Spott und Häme, die wahre und vermeintliche Gourmets bisweilen über sie ausgießen: Als » ungesund, billig und hässlich « schmähte sie etwa der Journalist Christoph Giesen in der Süddeutschen Zeitung. [4] Noch mehr schüttelte sich sein britischer Kollege Roger Boyes: » Ungefähr so natürlich wie Nylon « , lautet dessen Fazit, » eine
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