Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie deutsch ist das denn?!

Wie deutsch ist das denn?!

Titel: Wie deutsch ist das denn?! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ahrens
Vom Netzwerk:
netto und Saldo.
    Auch unserer klassischen Musikkultur ist die Einwanderung aus Italien deutlich anzumerken– da erklingt eine Wortsinfonie aus adagio, allegro, Alt, andante, Arie, Bass, Bratsche, Cello, da capo, Dirigent, Fagott, Klarinette, Konzert, Libretto, Menuett, Oper, Partitur, Piano, Primadonna, Rondo, Solo, Sonate, Sopran, Tenor, unisono, Violine usw. Bei der internationalen Popmusik unserer Tage wiederum zeigt sich der beherrschende Einfluss der USA . Wir reden ganz selbstverständlich von Bandleader, Beat, Break, Charts, Discjockey, Feeling, Funk, Groove, Grunge, Hiphop, Hit, live, Open Air, Playback, Punk, Rap, Rock, Sampler, Single, Soul, Synthesizer oder unplugged, ohne uns groß mit deutschen Alternativen abzuquälen.
    Über das Englische braucht man ohnehin kaum Worte zu verlieren, scheint es doch so, als würden wir im Alltag heute zunehmend ein Gemisch aus Deutsch und Englisch reden. Hier stimmt allerdings unsere Wahrnehmung nicht ganz, denn den Vogel schießt in Wirklichkeit Frankreich ab. Was das Deutsche im Verlauf der nachrömischen Geschichte an französischen Vokabeln aufgesogen hat, ist wahrhaft gigantisch. Unser Wortschatz ist durchsetzt mit Hunderten, wenn nicht Tausenden französischer Wörter (Gallizismen), ohne dass wir sie im täglichen Sprachgebrauch überhaupt als solche wahrnehmen. Wir verdanken sie größtenteils den hugenottischen Einwanderern der Neuzeit ( » Preußentum « ) und später der napoleonischen Besetzung, aber auch im Mittelalter fand bereits ein reger und stetiger Direktimport statt. So sind viele Wörter vom Altfranzösischen ins Alt- und Mittelhochdeutsche gelangt und haben die Evolution unserer Sprache über Jahrhunderte mitvollzogen. Andere Gallier (wie Bombast, Champion, Couch, Festival, Grill, Klosett, Party, Rallye, Sport, Toast, Training oder Tunnel ) gelangten über Großbritannien nach Deutschland– einige sogar zusätzlich zum direkten Grenzübertritt: Service gibt es bei uns sowohl im französischen Original (als Tischgedeck ) als auch in der englischen Version (als Dienstleistung ).
    Als Ergebnis reden wir quasi auf Schritt und Tritt Französisch, ohne uns dessen bewusst zu sein. Schon die ersten beiden Worte, die ein deutsches Baby quäkt (Mama, Papa), stammen von unserem westlichen Nachbarn. Später entpuppt sich das Kleine vielleicht als Genie, nutzt seine Chance, macht Karriere als Journalist, Ingenieur oder Komiker und hat kommerziellen Erfolg . Voilà!
    Bei Wörtern in ganz oder halbwegs erhaltener französischer Schreibweise und Aussprache erkennt man den Ursprung ja meist noch ohne Probleme– wie bei Abonnement, Accessoire, Coupé, Coupon, Medaille, Restaurant, Toilette, Toupet usw.
    Auch französische Verben, die mit deutschen Endungen versehen wurden, zeigen ihre Herkunft vergleichsweise unverhüllt: balancieren, changieren, echauffieren, engagieren, genieren, jonglieren, soufflieren, tranchieren usw.
    Schon etwas schwieriger wird es, wenn Wörter lautlich oder schriftlich halbwegs eingemeindet sind– wie neben vielen anderen Affäre, Allüren, Barrikade, Journalist, Kalkül, Parfüm, Passagier, Tourist und neuerdings auch das Portmonee.
    Äußerstes Gespür ist gefragt bei Gallizismen, die schon so fest im Alltagsgebrauch verwurzelt sind, dass wir sie kaum noch oder gar nicht mehr als Fremdkörper wahrnehmen, wie schon ein kleiner Streifzug zeigt: Abenteuer, Allee, Allianz, Ballon, Dementi, Desaster, Garnitur, gewieft, Karussell, Leutnant, Limonade, Liter, Lokal, Lupe, makaber, manierlich, Maskottchen, Massaker, Möbel, Onkel, Panne, Pantoffel, Pinzette, Rampe, Rang, rasieren, Relief, Rekrut, Rente, Reserve, rollen, Rollo, Roman, Soße, Tablette, Tante, Vase, um nur einige zu nennen.
    So viel zum » Deutschsein « der deutschen Sprache.
    [8] Quentin D. Atkinson et al.: Indo-European Language Family. Science 24.

Deutsche Weihnacht
    Süßer die Palmen nie rauschen
    Unter den vier Jahreszeiten wird sie zwar nicht offiziell aufgeführt, aber dennoch schlägt die deutsche Weihnachtssaison alle anderen buchstäblich um Längen: In den Supermärkten etwa beginnt sie, wie man weiß, stets pünktlich am 1. September mit Paletten voller Nikolausnaschwerk und endet im Februar mit dem Verramschen der letzten hart gewordenen Printen. In diversen, quer über das Land verteilten Läden findet sie sogar ganzjährig statt– beispielsweise in Oberammergau, in Rothenburg ob der Tauber und in der Bremer Altstadtgasse » Schnoor « .
    Es muss also wohl

Weitere Kostenlose Bücher