Wie deutsch ist das denn?!
etwas mit romantisch-deutscher Befindlichkeit zu tun haben, dass uns die Weihnachts- und Vorweihnachtszeit so sehr und andauernd am Herzen liegt: diese (meist nur herbeigesehnten) verschneiten Wälder! Diese Rauschgoldengel und lieblich läutenden Schlittenglöckchen! Diese anheimelnden Aromen und Düfte! Der Schriftsteller Heinrich Böll ließ die Figuren seiner Satire Nicht nur zur Weihnachtszeit nach dieser Idylle dermaßen süchtig werden, dass sie zwei Jahre lang jeden Tag Weihnachten feiern und Spekulatius knabbern mussten.
Aber wonach riecht oder schmeckt die deutsche Weihnacht denn nun eigentlich? Eine sicher nicht repräsentative, aber dennoch aufschlussreiche Blitzumfrage unter 120 ganz verschiedenen Adressaten ergab ein fast erwartbares Bild: Sieht man vom unvermeidlichen Tannenduft einmal ab, dann steht ganz oben auf der Hitliste Zimt und alles, was damit gewürzt ist (Bratäpfel, Spekulatius, Lebkuchen, Zimtsterne, Glühwein)– dicht gefolgt von Weihrauch, Gewürznelken, Mandarinen, Orangen und gebrannten Mandeln. All diese Spezereien bringt der Weihnachtsmann natürlich nicht aus dem verschneiten deutschen Winterwald mit, sondern überwiegend aus Weltgegenden, in denen sich Palmwipfel im heißen Tropenwind wiegen. Mit anderen Worten: Die deutsche Weihnacht riecht gar nicht anheimelnd, sondern in erster Linie exotisch. Um genauer zu sein: südostasiatisch.
So hat der absolute Renner unter den Weihnachtsgewürzen, der Zimt, seine Heimat im fernen Sri Lanka. Lieferant der begehrten Zutat ist der Ceylon-Zimtbaum (Cinnamomum verum), in dessen Rinde das aromatische Zimtöl steckt. Allerdings wird dieser » echte Zimt « bei der industriellen Herstellung von Backwaren meist mit chinesischem Cassia-Zimt verschnitten, der erheblich billiger, aber dafür auch eher minderwertig ist. Anbaugebiete dieser heute meistverwendeten Sorte sind neben China hauptsächlich Vietnam und Indonesien.
Aus Rinde wird auch das Weihrauch-Harz (Olibanum) gewonnen, das uns nicht nur zu Weihnachten feierlich ums Herz werden lässt. Seine Quelle ist der Weihrauchbaum (Boswellia), den man überwiegend in heißen Wüstengegenden Afrikas wie Äthiopien, Eritrea und Sudan antrifft. Übrigens ist Weihrauch, wie wir ja aus der Bibel wissen, ein uralter Dufterzeuger– er diente schon vor über sechstausend Jahren den ägyptischen Pharaonen als Aromakulisse für kultische Handlungen, später auch Priestern im antiken Rom.
Bei Gewürznelken, unserer Leib-und-Magen-Zutat für Glühwein, handelt es sich um die getrockneten Blütenknospen des Gewürznelkenbaums (Syzygium aromaticum), der ursprünglich von der indonesischen Inselgruppe der Molukken stammt. Hauptanbaugebiet ist heute die afrikanische Insel Sansibar; Gewürznelkenplantagen gibt es aber rund um die Welt in fast allen tropischen Ländern. In ihrer Urheimat Indonesien sind Nelken vor allem als Tabakbeimischung beliebt– mehr als die Hälfte der einheimischen Gesamtproduktion wandert dort als Krümel in die sogenannten Kretek -Zigaretten, die trotz oder gerade wegen ihres grausigen Geschmacks im Ruf stehen, gesundheitsfördernd zu sein.
Mandarinen sind ebenfalls aus Ostasien zu uns eingewandert: Sie stammen aus dem südlichen China, werden dort schon seit Jahrtausenden kultiviert und gelten als die ältesten bekannten Zitrusfrüchte überhaupt. Orangen oder Apfelsinen (vom altniederländischen appelsina = Apfel aus China) sind dagegen kein originales Gewächs, sondern das Ergebnis einer Kreuzung von Mandarine und Pampelmuse. Für beide– Mandarinen und Orangen– ist in Europa heute Spanien der bei Weitem größte Exporteur, gefolgt von Italien und Griechenland.
Der einzige weihnachtliche Aromenlieferant, der auch hierzulande gedeiht, ist der Mandelbaum (Prunus dulcis), dem wir die gebrannten Mandeln verdanken. Von der Abstammung her ebenfalls ein Südasiat, wurde er vermutlich von den alten Römern zusammen mit dem Weinbau nach Deutschland eingeführt. Allerdings sind die hiesigen Anbauflächen sehr klein, denn der Mandelbaum braucht ein sonnig-heißes Klima– weshalb unsere Mandeln zum überwiegenden Teil aus Kalifornien und den Mittelmeerländern kommen. Berühmt sind zum Beispiel jene aus der sizilianischen Provinz Catania, und dazu passt dann wunderbar die ebenfalls sizilianische Volksweise O sanctissima (besser bekannt in der deutschen Version O du fröhliche ), die dem internationalen Reigen noch eine musikalische Pointe hinzufügt.
Natürlich ist es kein Zufall, dass
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