Wie deutsch ist das denn?!
Österreicher sich über die Deutschen ärgern, bezeichnen sie uns bekanntlich gern kollektiv als » Piefke « (ohne Plural-S!). Der Oberbegriff soll auf den Schweriner Militärmusiker Johann Gottfried Piefke zurückgehen, der als Komponist des » Königgrätzer Marsches « 1866 [10] zur nationalen Hassfigur wurde – scheinbar folgerichtig haben ihn unsere südlichen Nachbarn als Verkörperung alles Deutschen (oder Preußischen) gebrandmarkt. Aber weit daneben gelangt! Auch die in Deutschland lebenden Piefke waren ursprünglich Slawen. Der Name taucht 1390 erstmals als Pifka auf und geht auf das polnische Wort für Bier, piwo, zurück. Insofern passt er dann doch wieder zum Deutschen-Klischee; allerdings sind die Österreicher dem Gerstensaft kaum weniger zugetan als wir ( » Bier « ).
Zurück zu Wasser und Milch. Das große Verquirlen beginnt schon in der Antike: Neben den unterschiedlichsten Germanenstämmen– wie Alamannen, Bajuwaren, Markomannen, Vandalen, Langobarden, Cherusker, Chauken, Burgunden, Franken, Sachsen oder Friesen– tummelte sich auf dem Gebiet des heutigen Deutschland auch eine Reihe anderer ethnischer Gruppen. So gehörte etwa ganz Süddeutschland bis ins 5.Jahrhundert v. Chr. zum Kernsiedlungsgebiet der Kelten. Von deren Sprache zeugt noch heute eine Reihe von Lehnwörtern, wie zum Beispiel Amt, Eisen, Reich oder Pferd. Der Regensburger Germanist Albrecht Greule vermutet keltische Wurzeln außerdem in mindestens 150 bayerischen Orts- und Flussnamen– darunter Kempten, Andechs, Isar und Main. Auch die Bezeichnung Germanen für die einheimischen Stämme ist kein » deutsches « Wort, sondern geht wahrscheinlich auf das Keltische zurück.
Als Nächstes kam eine Besatzungsmacht aus dem Süden, die Römer. Zur Zeit seiner größten Ausdehnung unter Kaiser Trajan reichte das Imperium Romanum bis weit ins heutige Deutschland hinein. Bis 116 n. Chr. befanden sich große Teile der heutigen Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen sowie das gesamte Gebiet links des Rheins vollständig unter römischer Herrschaft. In dieser Zeit gab es eine Vielzahl von Mischehen zwischen Römern und Germanen, und wie andere Länder hätten auch wir komplett zur römischen Provinz werden können– wie es das unersättliche Weltreich eigentlich vorhatte. Dann sprächen wir heute vermutlich nicht Deutsch, sondern eine romanische Sprache wie Franzosen, Rumänen, Portugiesen und Spanier. Nur die römische Niederlage in der berühmten Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. vereitelte diese Pläne und bewahrte uns einen Rest » germanischer « Identität. Wobei man allerdings anfügen muss: Die lateinische Sprache war bis dahin bereits unauflösbar mit unseren eigenen Dialekten vermischt.
Vermutlich um 375 n. Chr. fielen dann aus Osten in mehreren Wellen die Hunnen (die nicht zu den Germanen gehören) in Mitteleuropa ein, und unter ihrem Ansturm begann der Nordwesten des Römischen Reichs auseinanderzubrechen. Um die Mitte des folgenden Jahrhunderts war praktisch das ganze spätere Deutschland von Hunnen besetzt, bis nach dem Tod ihres Königs Attila (453) innere Konflikte ausbrachen, die das Hunnenreich langsam zerfallen ließen. Kaum anzunehmen, dass sich die Hunnenkrieger gegenüber germanischen Frauen sonderlich prüde benahmen– man darf also davon ausgehen, dass nicht wenige von uns heutigen Deutschen hunnische Gene in sich tragen (auch wenn das von Engländern gern für die Deutschen benutzte Schimpfwort Hun wohl doch leicht übertrieben ist).
Ab der Mitte des 6. Jahrhunderts folgten mehrere Einwanderungswellen westslawischer Gruppen, sogenannter Polaben, die über die Oder ins heutige Deutschland kamen, dort Wurzeln schlugen und sich mit anderen Volksgruppen vermischten. So finden sich im östlichen Deutschland noch heute zahlreiche Familien- und Ortsnamen polabischer Herkunft– auch wenn die Sprache gegen Ende des 16. Jahrhunderts bereits weitgehend ausgestorben war. Selbst unsere Hauptstadt trägt keinen deutschen Namen: Berlin bedeutet im Altpolabischen so viel wie » Sumpfgebiet « .
Eine Geschichte für sich ist die der Juden, die ebenfalls zu den Gründervätern und -müttern des deutschen Volks gehören. Schon bevor Jerusalem im Jüdischen Krieg 70 n. Chr. von den Römern zerstört wurde, lebten mehr als doppelt so viele Juden in der Diaspora wie auf dem Gebiet des heutigen Staates Israel selbst– nicht etwa, weil sie vertrieben worden wären, sondern weil sie ganz einfach ihr
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