Wie deutsch ist das denn?!
Deutschlands hat noch bei ihm keine tiefe Wurzel geschlagen. «
Dieser tadelnde Unterton entspricht weitgehend dem allgemeinen Goethe-Gefühl der damaligen Zeit. So wird der Dichter zu Lebzeiten zwar als Autor respektiert, aber keineswegs bewundert oder gar geliebt. Nach Goethes Tod rücken Name und Werk dann für einige Jahrzehnte ins zweite Glied; man beginnt ihn langsam zu vergessen. Erst das 1871 gegründete Kaiserreich entdeckt Goethe – seiner ketzerischen Geisteshaltung zum Trotz – als geistigen Nationalhelden neu und verklärt ihn gemeinsam mit Friedrich Schiller zum » Olympier « , also quasi zur Gottheit.
Goethe wurde in fortgeschrittenem Alter, zur Zeit der Befreiungskriege und damit auf dem Gipfel der Verfemung, zu einem ausgesprochenen Bewunderer des Islam und der arabischen Welt (die er allerdings, wie viele seiner Zeitgenossen, auch romantisierte). Er vergräbt sich in Studien des Arabischen und Persischen, liest den Koran und entdeckt den Diwan des persischen Nationaldichters Hafis (1320 – 1388), eine Sammlung von knapp fünfhundert Gedichten, die der Orientalist und Diplomat Joseph von Hammer-Purgstall kurz zuvor erstmals ins Deutsche übersetzt hat. Goethe berauscht sich geradezu an diesen Versen, lässt sich von ihnen inspirieren und schreibt ab 1814 seinen eigenen Divan, der 1819 erscheint und später um zusätzliche Gedichte erweitert wird.
Woher rührte dieser Hang zum Orientalischen? Dazu gibt es eine gewagte Hypothese, die der deutsche Psychiater und Ahnenforscher Robert Sommer (1864 – 1937) aufstellte. Demnach soll Goethe türkische Vorfahren gehabt haben, sodass entsprechende ethnische Wurzeln quasi schon in seinen Genen verankert waren. Zumindest meinte Sommer, diesen Zusammenhang aufgrund einer alten Familienchronik belegen zu können. Er bezieht sich dabei auf einen gewissen Sadok Selim Sultan (vermutlich 1270 – 1328), der während einer Schlacht zwischen Kreuzrittern und Seldschuken bei Aleppo im heutigen Syrien in deutsche Gefangenschaft geraten und nach Deutschland verschleppt worden sein soll– genauer gesagt, nach Brackenheim in Baden-Württemberg. Im Jahr 1305, so heißt es weiter, ließ er sich dort taufen und nahm den Namen Johannes Soldan an. Später heiratete er eine Deutsche, mit der er drei Söhne zeugte. In weiteren Generationen verzweigten sich die Soldans nach Hessen und Franken– und eine dieser Linien führt angeblich zur Familie Textor in Frankfurt, somit auch zu Goethes Mutter Catharina Elisabeth Textor.
Spekulation, Dichtung oder Wahrheit? Was soll’s. Gönnen wir unseren türkischstämmigen Mitbürgern einfach ihren Anteil an Goethe!
[13] Gerhard Schulz: Exotik der Gefühle. Goethe und seine Deutschen, München 1998.
[14] Gerhard Schulz: Exotik der Gefühle. Goethe und seine Deutschen, München 1998.
[15] Der russische » Orden der heiligen Anna « wurde Goethe von Zar Alexander I. im Oktober 1808 verliehen.
Golfklasse
European Open
» Kein Auto haben die Deutschen lieber « , schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vollkommen treffend über den VW Gol f [16] . Und seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 im eigenen Land ist es als womöglich deutschestes aller Bilder in unserem Kollektivgedächtnis verankert: ein Golf mit auf die Seitenscheibe gestecktem, lustig im Wind flatterndem schwarz-rot-goldenem Fähnchen. Deutscher Ingenieur- und Erfindergeist, deutsche Wertarbeit, das deutsche Nationalauto und die deutschen Landesfarben, gepaart mit deutscher Fußballbegeisterung– welch ein Symbol für die Werte unserer Nation, für Mannschaftsspiel, Zusammenhalt und überlegene Leistungsfähigkeit!
Halt, halt, halt– hier müssen wir mal sachte auf die Bremse treten. Die Wahrheit ist: Weder der VW Golf noch die sogenannte Golfklasse sind rein deutsche Hervorbringungen. Vielmehr stellen auch sie Musterbeispiele für das länderübergreifende Zusammenwirken von Ideen dar, was sie aus europäischer Sicht doch irgendwie sympathischer macht. Konzept, Design und Technik des VW Golf sind so multinational wie sein Name. Eine kompakte Schrägheckkarosserie mit Heckklappe, eine umklappbare Rücksitzlehne, ein quer eingebauter Frontmotor und Vorderradantrieb: Das alles sind Zutaten, die es bei diversen Autos in anderen Ländern und auch in Deutschland schon lange vorher gab. Wer Golf fährt, der fährt also mit an der Spitze der europäischen Integration.
Das weltweit erste Fahrzeug mit Frontantrieb zum Beispiel entstand 1898 in Österreich bei
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