Wie deutsch ist das denn?!
Tatsache ist: Wir lernen von anderen, ebenso wie andere von uns. Deutsche Umwelttechnik mag heute Spitze sein, aber bei genauerer Betrachtung sind wir in mancherlei Hinsicht erst ziemlich spät in die Gänge gekommen. Weder das Elektroauto noch die Abgasreinigung noch Solar-, Wasser- und Windenergie wurden in deutschen Landen erfunden oder erstmals eingesetzt. Bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten und Nationalparks rangieren wir noch immer unter » ferner liefen « , und auch die Grünen sind keineswegs nur ein deutsches Phänomen. Tatsächlich gibt es politische Organisationen, die sich den Umweltschutz auf ihre Fahnen geschrieben haben, schon seit (sage und schreibe!) über hundertzwanzig Jahren.
Dabei hält die Geschichte einiges an Überraschungen bereit. Welches Land zum Beispiel darf sich der ältesten » grünen « Bewegung überhaupt rühmen, sozusagen der Mutter aller Umweltorganisationen? Es sind ausgerechnet die USA – der vermeintlich böse Bube, auf den alle Welt wegen seiner spritfressenden Monstertruck-Spielzeuge mit dem Finger zeigt. Am 28. Mai 1892 entstand in San Francisco der Sierra Club, gegründet von dem Universalgelehrten John Muir (1838 –1914) im Verbund mit mehreren Universitätsprofessoren. Der in Schottland geborene Muir gilt als Wegbereiter der amerikanischen Nationalpark-Idee (auch wenn es mit Yellowstone den ersten Nationalpark bereits gab) und nahm schon damals viele Grundgedanken der heutigen Umweltbewegung vorweg– wie das Bewahren der Schöpfung und die gegenseitige Abhängigkeit von Mensch und Natur.
Mit diesen Ideen ist der Sierra Club nachhaltig erfolgreich geblieben: In den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts schafften es seine Mitglieder unter anderem, ein gigantisches Staudammprojekt in den Canyonlands von Utah zu verhindern– und das zu einer Zeit, als technischer Fortschritt meist noch kritiklos bejubelt wurde und Umweltschutz in den Medien allenfalls eine Nebenrolle spielte. Seit den Sechzigerjahren macht sich der Club auch für die Einführung von Umweltstandards in der US -Gesetzgebung stark.
Vor solchem Hintergrund erstaunt es nicht, dass der Begriff environment in den USA schon im 19. Jahrhundert aufkam, während das entsprechende deutsche Wort Umwelt erst 17 Jahre nach Gründung des Sierra Club eingeführt und definiert wurde. 1909 verwendete es der deutsch-estnische Biologe und Philosoph Jakob Johann von Uexküll (1864 –1944) erstmals in seinem Buch Umwelt und Innenwelt der Tiere. Dessen Grundgedanke bestand darin, dass Menschen nur mit der Natur, aber nicht gegen sie leben und überleben können. Von Uexküll stellte damit wegweisende ökologische Thesen auf und gilt allgemein als Begründer des europäischen Umweltschutzgedankens.
Wenig später hatten erneut die USA die Nase vorn: Am 28.Dezember 1915 gründete der Botanikprofessor Henry Chandler Cowles (1869 –1939) in Columbus (Ohio) die Ecological Society of America ( » Ökologische Gesellschaft von Amerika « ), kurz ESA . Dieser Zusammenschluss von Wissenschaftlern engagiert sich bis heute weltweit in Politik, Forschung und Bildung für die Belange des Umweltschutzes.
Innerhalb der ESA entstand 1917 der Vorläufer einer weiteren bedeutenden Naturschutzorganisation, das Committee for the Preservation of Natural Conditions ( » Komitee für die Bewahrung der natürlichen Gegebenheiten « )– eine Gruppe von Umweltaktivisten unter der Führung des Zoologen Victor Shelford (1877 – 1968). Daraus wiederum wurde 1946 die Ecologists’ Union und 1951 die Organisation The Nature Conservancy. Letztere engagiert sich vor allem für den Erhalt der natürlichen Artenvielfalt und hat damit enormen Zulauf gefunden: The Nature Conservancy umfasst heute über eine Million Mitglieder und ist in dreißig Ländern der Erde aktiv. Gemeinsam mit dem Sierra Club und der 1987 gegründeten Organisation Conservation International gehört sie zu den drei größten Umweltverbänden der USA .
Der nächste Punkt geht an Frankreich: Am 5. Oktober 1948 wurde in Fontainebleau bei Paris eine weitere bedeutende Nichtregierungsorganisation gegründet – die International Union for the Protection of Nature ( » Internationale Union für den Schutz der Natur « ) , kurz IUPN . Ihr Ziel ist es, weltweit das Bewusstsein für den Natur- und Artenschutz sowie für die nachhaltige und schonende Nutzung von Ressourcen zu schärfen. Um diese weit gefasste Definition besser deutlich zu machen, änderte die IUPN ihren Namen 1956
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