Wie deutsch ist das denn?!
Grimm nutzten solche Quellen ausgiebig, um ihre eigene Sammlung weiter auszubauen. Allerdings schrieben sie nicht einfach ab, sondern verwendeten häufig unterschiedliche Texte und setzten sie neu zusammen– wie etwa bei Schneewittchen, das bereits in zwei deutschen Übersetzungen von Ludwig Bechstein und Johann Karl August Musäus vorlag. Oder bei dem in ganz Europa verbreiteten Rotkäppchen, das der Weimarer Verleger Friedrich Justin Bertuch 1790 erstmals in einer deutschen Fassung herausbrachte: Hier entschieden sich die Grimms für eine Version mit glücklichem Ausgang, denn ein vom bösen Wolf unwiderruflich zerfleischtes Rotkäppchen (das gibt es auch) wollten sie ihren Lesern offenbar doch nicht zumuten.
Bei anderen Geschichten bedienten sich die Brüder der Sammlungen des französischen Schriftstellers Charles Perrault (1628 – 1703), der seinerseits zum Teil bei Straparola und Basile fündig geworden war: In Hänsel und Gretel finden sichMotive aus Le Petit Poucet ( » Der kleine Daumen « ), Rotkäppchen geht auf Le Petit Chaperon rouge zurück, Dornröschen auf La Belle au bois dormant ( » Die schöne Schlafende im Wald « ), Aschenputtel auf Cendrillon und Der gestiefelte Kater auf das mittlerweile von Italien nach Frankreich eingewanderte Märchen Le chat botté. Bei Dornröschen griffen die Grimms auch direkt auf die ältere Version von Basile zurück. Die Begattung der schlafenden Schönen ließen sie allerdings ebenso weg wie Perrault– wie sie auch viele andere Märchen von ursprünglich vorhandenen erotischen Motiven säuberten und damit » kindgerecht « machten.
Ebenfalls in Frankreich fanden die Grimms die schriftliche Urversion von Rumpelstilzchen. Die Geschichte von dem Kobold, der ein Mädchen Stroh zu Gold spinnen lässt, wurde unter dem Titel Ricdin-Ricdon erstmals 1705 in der Sammlung La Tour ténébreuse ( » Der finstere Turm « ) von Marie-Jeanne L’Héritier de Villandon veröffentlicht, einer Tochter oder Nichte von Charles Perrault. Das Märchen selbst ist allerdings wesentlich älter.
Der Froschkönig wiederum basiert auf einem Kommentar, den der Herausgeber John Leyden in eine Neuausgabe der schottischen Geschichten- und Balladensammlung The Complayant of Scotlande (1549) einfügte. Das wissen wir mit Sicherheit von Jacob Grimm, der 1812 an seinen Bruder Wilhelm schrieb: » Das Volksmärchen vom Froschprinz habe ich in einem schottischen Buch heut Nachmittag gefunden. « Tatsächlich gaben auch die Grimms der Geschichte zunächst den Titel Der Froschprinz – was eigentlich zutreffender wäre, denn bei dem Frosch handelt es sich ja nicht um einen verwunschenen König, sondern um einen Prinzen.
Bleibt festzuhalten, dass sich unsere berühmteste Märchensammlung bei näherem Hinsehen als ein erstaunlich multikulturelles Panoptikum erweist, dessen Helden und Bösewichter wir mit einer ganzen Reihe anderer Völker teilen.
Rein deutschen Ursprungs sind dagegen– paradoxerweise– einige populäre Geschichten, die im Orient spielen. Die Geschichte vom Kalif Storch, Die Geschichte von dem kleinen Muck und Das Märchen vom falschen Prinzen stammen nicht etwa aus Tausendundeiner Nacht, sondern aus dem Zyklus Die Karawane, den der Stuttgarter Schriftsteller Wilhelm Hauff 1825 als Sammlung frei erfundener Kunstmärchen veröffentlichte. Mutabor heißt dort das Zauberwort des zum Storchen gewordenen Kalifen– und wie man gesehen hat, ist es zugleich ein treffendes Motto für alle Märchen dieser Welt: » Ich werde mich verwandeln. «
Die Grünen
Born in California
Seit 2011 ist er also endlich unter Dach und Fach– der Ausstieg aus der Atomenergie. Und auch sonst zeigt sich Deutschland zunehmend umweltbewegt: Bioläden boomen, Autohersteller unterbieten sich mit Verbrauchswerten, und selbst gemachter Solarstrom elektrisiert immer mehr Hausbesitzer– was sich im politischen Farbenspektrum nachhaltig niederschlägt. Seit Jahren ist Grün auf dem Vormarsch– mit inzwischen fast durchweg zweistelligen Prozentwerten bei allen Stimmzettelauszählungen bis hin zur Bundestagswahl. » Staunend nahmen die Nachbarn den fast religiösen Eifer wahr, der die deutsche Ökologiebewegung von Beginn an beseelte « , schrieb der Dortmunder Statistikprofessor Walter Krämer. [17]
Ist das nun typisch deutsch? Sind wir ein Volk von ökologisch denkenden Visionären, Mahnern und Machern? Womöglich gar Musterknaben, die dem Rest der Welt zeigen müssen, wo es in Zukunft langgeht?
Ja und nein.
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