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Wie deutsch ist das denn?!

Wie deutsch ist das denn?!

Titel: Wie deutsch ist das denn?! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ahrens
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Iowa veranstaltet sogar einen regelrechten Kult um das beliebte Gemüse: Jedes Jahr im Juni findet dort ein viertägiges Fest statt, die Sauerkraut Days, bei dem unter anderem Little Miss and Mr. Sauerkraut sowie eine Sauerkraut Queen gekürt werden. Diese Tradition besteht schon seit 1902. Wo, bitte, gibt es etwas Vergleichbares in Deutschland?
    Und nicht nur der Kult fehlt hierzulande, sondern auch die Starrolle: Sauerkraut ist niemals Hauptgericht, stattdessen duckt es sich bescheiden als Sättigungsbeilage hinter Fleisch und Wurst– ganz im Gegensatz etwa zum Spargel oder zum Grünkohl. Sauerkraut mit Eisbein? Undenkbar. Umgekehrt wird ein Schuh bzw. ein Gericht daraus. Oder schlagen wir nach bei Wilhelm Busch: Im Haus der Witwe Bolte stehen selbstverständlich gebratene Hühner im Mittelpunkt, während die alte Dame von dem » Sauerkohle « ebenfalls nur eine Portion als Beilage aus dem Keller holt. Ganz anders beim Hochzeitsessen des fetten Schmöck aus der Frommen Helene, der sich– in genau dieser Reihenfolge– an » Spargel, Schinken, Koteletts « delektiert. Da kommt das Edelgemüse an erster Stelle.
    Wo aber steht das Sauerkraut prominent im Mittelpunkt der Tafel? Im Elsass, also in Frankreich! Was zeigt, dass auch unsere westlichen Nachbarn, Erfinder und Bannerträger der gehobenen Küche, einem kräftig-deftigen Essen alles andere als abgeneigt sind. Typisch ist die Choucroute garnie – ein Sattmacher, zu dem traditionell viel Fleisch, Frankfurter und Straßburger Würste sowie Würste aus Montbéliard gehören. Die Krönung der Schlemmerei bildet eine teure Spezialität, die selbst von Gourmets in Paris geschätzt wird: Choucroute royale, zubereitet aus verschiedenen Sauerkrautsorten, reich mit Rauchfleisch, Würsten, Speck und Leberklößchen garniert und ohne anschließenden Magenbitter kaum zu überstehen.
    Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass südlich von Straßburg sogar eine Route de la choucroute existiert– ein rund 18 Kilometer langes Stück Landstraße zwischen Benfeld und Krautergersheim (!), an dem entlang sich die besten Sauerkrautrestaurants der Region befinden. Insgesamt zieht sich dieser Choucroute-Gürtel, aus dem 75 Prozent des in Frankreich hergestellten Sauerkrauts stammen, bis weit nach Süden ins Département Haute-Savoie hinein. Den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Sauerkraut haben denn auch keineswegs die Deutschen, sondern tatsächlich die Franzosen.
    Wie aber konnte sich das Klischee von den Deutschen als Sauerkrautessern so weit und hartnäckig verbreiten?
    Schuld ist womöglich die Standard-Marschverpflegung der kaiserlichen Armee im Ersten Weltkrieg. Damals wurden deutsche Soldaten von den Briten als » Krauts « bespöttelt, weil sie stets gekochtes Sauerkraut in Dosen im Gepäck hatten. Ein nahrhafter und vitaminreicher Proviant– von daher also durchaus vernünftig–, aber für den britischen Normgeschmack mangels Fettig- und Fischigkeit wahrscheinlich doch eher eine kulinarische Verirrung. So nistete sich der Begriff » Kraut « erfolgreich im Sprachgebrauch ein, überdauerte einen weiteren Weltkrieg und ist offenbar für alle Zeiten nicht totzukriegen. 1968 soll ihn der BBC -Radiomoderator John Peel, bürgerlich John Robert Parker Ravenscroft (1939 – 2004), sogar für eine weitere Wortschöpfung genutzt haben: » Krautrock « – angeblich inspiriert durch den Titel Mama Düül und ihre Sauerkrautband spielt auf von der deutschen Band Amon Düül. Gesicherte Belege für diese Story gibt es nicht, aber immerhin: » Krautrock « hat sichseit Beginn der Siebzigerjahre auch hierzulande als selbstironische Genre-Bezeichnung für deutsche Rockmusik eingebürgert.
    In der Tat, Kraut rocks – sei es auf Vinyl- oder Porzellanplatten. Lassen wir es uns also, gemeinsam mit unseren europäischen und amerikanischen Tischgenossen, auch weiterhin gut schmecken.

Schrebergarten
    Querbeet durch Europa
    Ein paar Obstbäume, ein Stück Rasen, eingerahmt von Blumen- und Gemüsebeeten in einträchtigem Nebeneinander, dazu eine Laube mit Veranda und ringsherum eine Buchsbaumhecke. So sieht des Deutschen kleines grünes Paradies aus. Und es ist nicht nur grün, sondern auch wirklich sehr deutsch– oder? Gehört doch Gartenarbeitzu den bevorzugten Hobbys der Bundesbürger. Über 40 Prozent geben sie als Favoriten unter ihren Freizeitbeschäftigungen an, womit sie nach dem Fernsehen immerhin auf Platz zwei rangiert. Auch sonst kann die Laubenpieperei mit eindrucksvollen

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