Wie deutsch ist das denn?!
Zahlen aufwarten. Rund eine Million Kleingärten mit einer Gesamtfläche von 466 Quadratkilometern gibt es auf deutschem Boden, organisiert in 15 000 Kleingartenvereinen, die wiederum den 20 Landesverbänden des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V. ( BDG ) angehören. Weltmeisterlich!
Die Beliebtheit der Kleingärten wächst neuerdings sogar wieder: Vor nicht allzu langer Zeit noch als spießig verschrien, verzeichnen sie seit einigen Jahren steigenden Zulauf– auch und gerade bei jüngeren Zeitgenossen. Das kleine Glück auf der eigenen Parzelle scheint gerade heute, nicht zuletzt beflügelt durch die Ökobewegung, wieder voll im Trend zu liegen. Vier von zehn Kleingartenvereinen führen inzwischen sogar Wartelisten, weil die Interessenten Schlange stehen, zumindest in größeren Städten.
Und wie steht man im Ausland dazu? Vielleicht nicht in der Warteschlange, aber doch weitgehend fest an unserer Seite. Denn siehe da: Kleingärten sind weder eine deutsche Erfindung, noch beschränken sie sich auf Deutschland. Im Gegenteil, sie sind nahezu ein europaweites Phänomen und teilweise sogar auf anderen Kontinenten zu finden– zum Beispiel in Japan, den USA und neuerdings (mit deutscher Entwicklungshilfe) auf den Philippinen. Übrigens haben sie auch nicht viel mit ihrem unfreiwilligen Namensgeber Moritz Schreber zu tun. Die sogenannten » Schrebergärten « sind erst drei Jahre nach Schrebers Tod entstanden.
Falls das keine Überraschung ist, so dürfte die folgende Information eine sein: Relativ gesehen gibt es nicht etwa in Deutschland die meisten Kleingärten, sondern in einem Zwergstaat, dem man so viel Blumen- und Gemüsebeetfläche gar nicht zugetraut hätte– nämlich Luxemburg. Der Anteil der Kleingartenpächter an der Gesamtbevölkerung ist dort fast viermal so hoch wie bei uns und markiert damit einen einsamen Rekord. Insgesamt zählt der 1928 gegründete luxemburgische Kleingartenverband Ligue Luxembourgeoise du Coin de Terre et du Foyer rund 25 000 Mitglieder.
Selbst in absoluten Zahlen sind die deutschen Kleingärtner nicht alleinige Weltmeister, sondern müssen sich den Podiumsplatz teilen. Auch Polen spielt nämlich ganz oben in der Liga und liegt praktisch gleichauf mit Deutschland. Insgesamt sind in unserem östlichen Nachbarland, ebenso wie bei uns, rund eine Million Kleingärtner in Vereinen organisiert. Kaum verwunderlich also, dass die polnische Kleingärtnerei auf eine ähnlich lange Geschichte zurückblicken kann wie die deutsche, nämlich bis zum Jahr 1823. Die damals in dem Städtchen Ko ź min Wielkopolski entstandenen ersten Parzellen sind noch heute in Betrieb. Ein Regelwerk verpasste man dem Kleingartenwesen allerdings erst 1897, als die Anlage K ą piele Słoneczne im damaligen Graudenz (heute Grudziądz ) gegründet wurde. Es war der Beginn einer Vereinstradition, der auch drei Kriege und mehrere Jahrzehnte kommunistischer Diktatur wenig anhaben konnten. Im Zuge der Solidarno ś ć-Bewegung wurden 1981 schließlich ein neues, bis heute gültiges Kleingartengesetz verabschiedet und eine unabhängige Organisation gegründet: der Polnische Kleingärtnerverband (Polski Zwiazek Dzialkówow).
Die eigentlichen Ursprünge des Kleingartenwesens liegen allerdings nicht im 19. Jahrhundert, sondern reichen noch wesentlich weiter zurück. Gräbt man in der Geschichte nach den Wurzeln, dann stößt man nach einigem Suchen auf Großbritannien und die Zeit der Reformation. In jenen Jahren wurde viel kirchlicher Landbesitz von der britischen Krone konfisziert und Angehörigen des Adels zugeteilt. Diese hatten nichts Eiligeres zu tun, als die zuvor frei zugänglichen Ländereien einzuzäunen und das Betreten zu verbieten– mit dem Ergebnis, dass Tausende in Armut lebende Menschen ihre kleinen Beete verloren und nun erst recht am Hungertuch nagten. Um ihre Not etwas zu lindern, wurden ihnen zum Ausgleich kleine Gartenanteile in Pacht zugewiesen. Aus dieser Zeit– dem späten 16. Jahrhundert– stammt die erste historische Erwähnung von Kleingärten (allotments), die somit als originär britische Errungenschaft gelten können.
In den folgenden Jahrhunderten gab es diverse sogenannte Enclosure Acts, die das Umzäunen von Landbesitz regelten– meist zuungunsten der Allgemeinheit. Erst 1845 wurdeeinGesetz beschlossen, das den Interessen der armen Bevölkerung wieder mehr Platz einräumte. Mit der Bereitstellung von field gardens, die maximal ¼ Acre (rund 1000 m 2 ) groß waren, wurde der
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