Wie deutsch ist das denn?!
aussprechen und auch praktizieren, haben das mexikanische Allzweckwort mañana vor Ort geduldig akzeptiert und in Thailand bestaunt, dass sogar zwei verschiedene Zeiten friedlich koexistieren können.
Ach, ihr Japaner! Der Pünktlichkeitsweltrekord sei euch gern gegönnt, wir streben ihn ja gar nicht an. Aber vielleicht könnt ihr wenigstens der Deutschen Bahn etwas Entwicklungshilfe leisten– und ihr verraten, wie man nicht vier, sondern fünf von fünf Zügen planmäßig ankommen lässt.
[24] » Guten Morgen « auf Japanisch.
Sauerkraut
Ein Gedicht aus Fernost
Liebe geht durch den Magen, heißt es– und unser deutsches Nationalgericht scheint ganz besonders dazu angetan, vom Verdauungstrakt aus in direkter Linie das Herz in Wallung zu bringen. Schon bei Heinrich Heine weckt es starke lyrische Gefühle:
Der Tisch war gedeckt. Hier fand ich ganz
Die altgermanische Küche.
Sei mir gegrüßt, mein Sauerkraut,
Holdselig sind deine Gerüche!
Heines Zeitgenosse Ludwig Uhland lässt sich ebenfalls hinreißen und schwärmt voller Inbrunst:
Auch unser edles Sauerkraut,
wir wollens nicht vergessen,
ein Deutscher hat’s zuerst gebaut,
drum ist’s ein deutsches Essen.
Und Altmeister Wilhelm Busch wird eine Generation später geradezu philosophisch:
Denn nur der ist wirklich weise,
Der auch in die Zukunft schaut.
Denk an deine Lieblingsspeise:
Schweinekopf mit Sauerkraut.
Eine so enge Nachbarschaft von Gericht und Gedicht– das lässt tief in die Volksseele blicken. Und damit ist der literarische Krautvorrat noch lange nicht erschöpft: Ungereimt findet sich das Wort in Tausenden von Texten unterschiedlicher Autoren aus den verschiedensten Jahrhunderten. Es scheint wirklich so, dass wir Deutsche zu unserem Sauerkraut ein äußerst inniges Verhältnis haben.
Aber ist es wirklich » unser « Sauerkraut? Oder teilen wir die Leidenschaft für vergorenen Weißkohl womöglich mit anderen Nationen?
Sehen wir einmal genauer hin. Historisch betrachtet, zeigt sich als Erstes, dass Herrn Uhland postum eine Illusion geraubt werden muss. » Ein Deutscher hat’s zuerst gebaut « : Das trifft um einige tausend Kilometer daneben und zeigt, dass deutsche Dichter im 19. Jahrhundert von der weiten Welt offensichtlich noch nicht viel wussten. Richtig ist: Das Verfahren, Gemüse durch Milchsäuregärung haltbar zu machen, wird schon seit Urzeiten in den verschiedensten Regionen der Welt angewandt. Die Sumerer nutzten es vor rund sechstausend Jahren erstmals zum Konservieren von Milch, im antiken Griechenland kannte man es ebenso wie im Römischen Reich. Die meisten Küchenhistoriker sind sich jedoch einig, dass die Ursprünge unseres heutigen Sauerkrauts nicht in Europa zu suchen sind, sondern in Ostasien.
In seiner Kulturgeschichte der deutschen Küche bestätigt der Restaurantkritiker Peter Peter: » Es spricht einiges dafür, dass das mit Milchsäuregärung fermentierte geschredderte Weißkraut auf koreanisches kimchi oder chinesisches suan cai zurückgeht. « Beides ist übrigens noch heute fester Bestandteil der fernöstlichen Küche.
Im 13. Jahrhundert, so wird vermutet, könnten diese Spezialitäten mit der Ausdehnung des Mongolenreichs nach Osteuropa gelangt sein. In der Schlacht bei Liegnitz (Legnica) im heutigen Polen gelang es den Truppen des mongolischen Feldherrn Batu Khan 1241 sogar, sich fast ein Jahr lang in unserer unmittelbaren Nachbarschaft festzusetzen. So verbreitete sich die Kunst des Krauteinlegens wahrscheinlich zunächst im baltischen und slawischen Sprachraum und wanderte dann Zug um Zug nach Westen.
Heute kennt und schätzt man Sauerkraut in vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas, es ist also keineswegs nur ein deutsches Phänomen. In Tschechien wird es als kyselé zelí genossen, in Polen als kiszona kapusta, in Ungarn als savanyú káposzta, in Serbien als kiselo zelje, in Rumänien als sarmale. Szegediner Gulasch ohne Sauerkraut ist unvorstellbar, ebenso wenig die tschechische Kalorienbombe vep ř o knedlo zelo (Schweinebraten mit Knödeln und Kraut) oder das polnisch-litauische Nationalgericht bigos. Auch die Westwanderung des Sauerkrauts war kaum zu stoppen– so gelangte es über Deutschland hinaus bis nach Frankreich und in die Beneluxländer (niederländisch zuurkool, französisch choucroute, elsässisch Sürkrüt ).
Selbst über den Atlantik hinweg hat es das Sauerkraut geschafft, sodass sein Verzehr in den USA heute kaum hinter dem hiesigen zurücksteht. Die Kleinstadt Ackley in
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