Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
die Schaufensterfronten beider Geschäfte. Mehrere Projektile durchschlugen die Scheiben.
Die Polizei warf dem unbekannten Schützen vor, billigend in Kauf genommen zu haben, Unbeteiligte durch die Schüsse zu verletzen oder zu töten. Der Verdacht der Beamten fiel sofort auf Kadir P. und seine Männer.
Um Racheaktionen oder weitere Angriffe im Keim zu unterbinden, startete die Berliner Polizei einen Großeinsatz und postierte starke Einsatzkräfte vor den Clubhäusern der Hells Angels und des Bandidos MC.
Kadir P. stand am 28. Oktober 2011 wieder einmal vor dem Berliner Schwurgericht. Der 27-Jährige wurde bereits im Alter von zwölf Jahren durch eine Körperverletzung und Beleidigung strafrechtlich auffällig. Mittlerweile wurde er in 46 Verfahren der deutschen Justiz als Beschuldigter geführt. Das Berliner Gericht warf dem Angeklagten dieses Mal vor, im August 2007 (damals noch als Bandido) dem Hells Angel Dirk F. vor seiner Wohnung in Berlin-Mitte aufgelauert zu haben, mit einem Messer dreimal in dessen Oberschenkel gestochen und ihm dann die Kutte geraubt zu haben. Die Trophäe des Raubs brachte Kadir P. nach Erkenntnissen der Polizei umgehend zum Deutschland-Präsidenten und Vize-Europa-Chef der Bandidos, Peter M., ins Ruhrgebiet. Auf dem Gelände einer Duisburger Tankstelle soll es zur Übergabe der Kriegsbeute gekommen sein, dokumentiert von den Überwachungskameras der Tankstelle. Berliner Ermittler gehen davon aus, dass Kadir P. mit dieser Attacke sein Standing bei den Bandidos erhöhen wollte und womöglich zusätzlich das Patch »Expect No Mercy« im Auge gehabt hatte. Das Opfer war schwer verletzt; es benötigte zwei Operationen an dem lädierten Bein.
Der Anschlag auf Dirk F. war nicht der einzige Gegenstand des Verfahrens Ende Oktober 2011. Ebenso wurde ein Angriff Kadir P.s auf einen Türsteher verhandelt, der nur knapp einem Stich gegen den Hals ausweichen konnte. Pikanterweise handelte es sich bei dem Opfer Oliver A. um einen Polizeibeamten. Als weiteren Anklagepunkt brachte das Gericht eine Auseinandersetzung vom Juni desselben Jahres ein. In einer McDonald’s-Filiale soll Kadir P. sich durch die Blicke zweier Bauarbeiter auf seine Freundin provoziert gefühlt haben. Kadir P. rannte zu seinem Mercedes und soll sich, nun mit einer Machete und einem Messer bewaffnet, auf die beiden Bauarbeiter gestürzt haben. Diese ergriffen jedoch die Flucht und entkamen unverletzt. Die Angegriffenen erstatteten gegen den berühmt-berüchtigten Kadir P. keine Strafanzeige. Das tat jedoch aus öffentlichem Interesse die Berliner Staatsanwaltschaft.
Vorwürfen der Presse gegen die Berliner Gerichtsbarkeit, vier Jahre verstrichen haben zu lassen, bevor sie die angeklagten Taten ahndeten, begegnete ein Gerichtssprecher mit dem Verweis auf die heillose Überlastung aller Berliner Gerichte. Das jetzige Verfahren sollte sich im weiteren Verlauf außerdem als komplettes Fiasko erweisen.
Der verletzte Türsteher und Polizist Oliver A. sollte zum Schutz seiner Privatsphäre durch das LKA Berlin geladen werden, damit seine Privatadresse nicht in der Prozessakte veröffentlicht würde. Die Justiz wollte mit dieser Maßnahme erreichen, dass Kadir P. nicht über seinen Rechtsanwalt an die sensiblen Daten gelangen konnte. Das Berliner Gericht versäumte es jedoch, darauf zu achten, und lud das Opfer ganz normal vor. Oliver A. schickte zur ersten Ladung ein Attest und berichtete im Vorfeld der Verhandlung, dass Unbekannte ihm dringend davon abgeraten hätten, gegen Kadir P. auszusagen. Bei einer weiteren Ladung erschien er letztendlich doch persönlich vor Gericht, konnte sich aber trotz mehrerer Nachfragen an nichts mehr erinnern. Auch den Inhalt seiner ursprünglichen Aussage und das in den Protokollen festgehaltene Zitat »... stach mit einem Messer Richtung Hals« konnte oder wollte er vor Gericht nicht mehr wiederholen. Die beiden Bauarbeiter aus dem Fast-Food-Laden machten ebenfalls keine belastenden Angaben vor Gericht und selbstverständlich verweigerte auch der durch Messerstiche verletzte und seiner geliebten Kutte beraubte Hells Angel Dirk F. jegliche Aussage vor dem Richter.
Während der Angeklagte mit kahl rasiertem Schädel, Brille, lässiger Jeans und einem schwarzen Hemd von Ralph Lauren äußerlich cool dem Vortrag des Gerichtes folgte, echauffierte sich sein Berliner Staranwalt, der auch schon Erich Honecker verteidigt hatte, über die behaupteten Ängste der Zeugen und wies jegliche Beteiligung seines
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