Wie die Madonna auf den Mond kam
zusammengefügt, was auch die quantitativen Leistungen des Fotografen ins rechte Licht rückte. Rechts hingen vor weinrotem Samt schwarz-weiße Hochzeitsbilder in goldverschnörkelten Zierrahmen.
Der säuselnde Wohlklang von Messingglöckchen ertönte, als wir die Tür zum Studio Hofmann aufstießen. Ich brachte vor Anspannung kaum ein »Guten Tag« heraus und schaute mich verstohlen in dem geräumigen Laden um. Die blonde Schönheit, die Angela Barbulescu bis aufs Haar glich, entdeckte ich zu meiner Enttäus chung nirgends. Hinter dem Ver kaufstresen standen zwei weibliche Angestellte, die sich nach meinem Geschmack ebenfalls nicht zu verstecken brauchten. Beide waren blond. Eine war damit beschäftigt, einem älteren Herrn ein silbernes Bilderrähmchen in Geschenkpapier zu wickeln. Wir setzten uns auf ein Ledersofa neben einer exotischen grünen Topfpflanze, die mit Sicherheit nicht der heimischen Flora entstammte. Rechts von uns saß an einem nierenförmigen Tischchen ein junges Paar beim Beratungsgespräch. Die beiden hielten Händchen, nickten ständig und schauten mit Ausrufen wie »Schön, sehr, sehr schön, einfach wunderbar« in ein Album, das die zweite Angestellte mit luftigem blondem Engelshaar vor ihnen umblätterte. Unter dem Blick ihrer blauen Augen schmolz gewiss jeder Kunde dahin.
Alles in allem verströmte das Fotogeschäft eine kühle Aufgeräumtheit, die mich an das spärlich möblierte ehemalige Wohnzimmer der Hofmanns erinnerte. Die lange Kundentheke bestand aus heller, fein polierter Buche, dahinter lagen Fotoapparate wie kleine technische Kunstwerke in gläsernen Vitrinen, während an den Seitenwänden künstlerische Porträtaufnahmen ausnahmslos sehr schöner Frauen die Aufmerksamkeit auf sich zogen.
Das verliebte Paar erhob sich. »So werden wir es machen«, hörte ich den Mann sagen. »Also bis Sonntag, um elf am Paulusdom. Sie werden uns doch nicht vergessen!« Allein der Augenaufschlag der Frau mit dem Engelshaar hätte gereicht, alle Befürchtungen der künftigen Eheleute zu zerstreuen. »Sie dürfen sich auf uns verlassen. Es wird bestimmt eine traumhafte Hochzeit.« Die Glöckchen klingelten, und das Paar sowie der Herr mit dem Bilderrahmen verließen das Geschäft.
Die weiße Tür hinter der Kasse fiel mir erst auf, als sie sich öffnete. Da war sie. Die junge Frau mit dem blonden Pferdeschwanz überblickte kurz den Verkaufsraum und wandte sich dann an ihre beiden Kolleginnen. »Gleich halb fünf. Heute ist hier sicher nichts mehr los. Wenn ihr möchtet, geht nach Hause.« Dann lachte sie in unsere Richtung. »Mit den Herren komme ich bestimmt auch allein zurecht.« Eine Minute später bimmelten wieder die Glöckchen, und die beiden Angestellten verschwanden untergehakt und kichernd in der Stadt.
»Entschuldigen Sie, dass wir Sie einen Moment haben warten lassen«, sagte die Blonde. Sie war wirklich schön. Ihre Ähnlichkeit mit der jungen Angela Barbulescu war zwar nicht mehr so auffallend, aber zweifellos vorhanden. Ich versuchte, mir diese Frau zwanzig Jahre älter an der Schultafel in Baia Luna vorzustellen, in Gummistiefeln, in einem dunkelblauen Schmuddelkleid und mit achtlos gestutztem Haar. Es gelang mir nicht. Sie musterte meine und Großvaters Kleidung, ohne sich eine Reaktion anmerken zu lassen. »Die Herren wünschen gewiss ein Lichtbild für die Ausweispapiere.«
Wir nickten.
»Dann kommen Sie bitte mit in das kleine Studio.«
In einem Hinterzimmer standen auf einem dreibeinigen Stativ eine monströse Fotoapparatur, üppige Scheinwerferlampen und ein Porträtschemel.
»Keine Angst«, lachte die Angestellte, »es tut nicht weh. Ich bin übrigens Fräulein Irina Lupescu, Herrn Hofmanns rechte Hand.«
»Ist Ihr Chef denn nicht da?«, fragte ich heuchlerisch. »Nein. Er ist oft unterwegs. Gerade erst ist er wieder in die Hauptstadt gefahren. Irgendein Parteikongress. Da fotografiert Herr Hofmann nur die höchsten Kreise der Politik. Meine Kolleginnen und ich erledigen hier den Kleinkram:
Hochzeiten, Jubiläen, Passbilder. Womit ich Sie nicht beleidigen möchte.«
»Aber, Herr Hofmann«, ich war wirklich verblüfft, »fotografiert er die vielen Hochzeiten denn nicht persönlich?« »Aber nein«, lachte Irina. »Mit so was gibt er sich schon seit Jahren nicht mehr ab. Meine Vorgängerin hat diese Aufträge erledigt. Und heute sorge ich dafür, dass die Brautpaare ihren Hochzeitstag in schöner Erinnerung behalten. Jetzt im Mai überschlagen sich die Trauungen. Heute
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