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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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Türglocke klingelte. Eine unglaublich magere Frau kam herein. Ihr Haar war so weiß, dass es blond wirkte, und mit zwei Fingern hielt sie eine Zigarette. Sie wanderte durch die Gänge und führte flüsternd Selbstgespräche. Von hinten hätte man sie leicht für eine Frau unter dreißig halten können. Doch wenn sie sich umgedreht hätte, wäre man erschrocken, denn ihr Gesicht war eingefallen und faltig, und sie hatte keine Zähne mehr. Ihr Gang war unsicher, x-beinig, so als hätte sie Peyote gegessen, was vermutlich auch der Fall war. Schließlich nahm sie eine Tüte Malted Milk Balls aus dem Regal und brachte sie zur Kasse.
    » Mir geht’s gut«, sagte sie, als hätte ich sie nach ihrem Befinden gefragt, streckte mir einen Fünfer hin und zog an ihrer Zigarette.
    » Freut mich zu hören.« Ich gab ihr das Wechselgeld heraus. Amos beobachtete sie argwöhnisch, so als ob sie sich gleich irgendetwas schnappen und einfach damit abhauen könnte.
    Die nächste Kundin legte eine Packung Tampons auf die Theke, öffnete ihre vollgestopfte Handtasche und wühlte darin herum.
    » Zwölf sechsundsiebzig«, sagte ich. Ich fand es immer noch seltsam, meine Kassiererstimme zu hören und meine Hände Geld entgegennehmen und Wechselgeld herausgeben zu sehen. Als ich an der Emory University in Atlanta meinen Abschluss gemacht hatte, war ich überzeugt gewesen, dass ich solche Jobs ein für alle Mal hinter mir hatte.
    Die Frau seufzte genervt, zog ein paar Dinge aus ihrer Handtasche und legte sie auf den Kassentisch: Portemonnaie; Schlüsselring; Hitze-Taser. Sie kramte weiter.
    » Ist das Geld nicht im Portemonnaie?«, fragte ich.
    Sie lächelte. » Sollte man meinen, ist es aber nicht.« Ihr BH -Träger lugte aus dem Ärmel ihres T-Shirts hervor. » Äh, könnten Sie das bitte einpacken?«, sagte sie ohne aufzusehen.
    Ich brauchte einen Moment, bis ich kapierte, worum sie mich bat. Um sieben Uhr abends kaufte sie in einem Mini-Markt nichts weiter als ein Päckchen Tampons– ein Notfall also, und sie wollte nicht, dass alle Ladenbesucher es mitbekamen. » Ja, natürlich.« Ich zog eine Plastiktüte unter der Kasse hervor und packte die Tampons hinein. » Entschuldigen Sie.«
    » Danke.«
    » Gern geschehen.«
    » Aha!« Sie reichte mir einen Zwanziger.
    » Bestimmte Waren sollte man besser immer gleich einpacken«, sagte ich, während ich mit zwei Fingern Münzen aus der Kassenschublade fischte.
    » Ja. Tampons, oder Schwangerschaftstests…«
    » Pornos«, fügte ich hinzu.
    » Genau!«, sagte sie und zeigte mit dem Finger auf mich. Sie war auf eine etwas herbe, osteuropäische Weise hübsch. Aschblondes Haar, schiefe, aber weiße Schneidezähne. Etwas älter als ich, dreiunddreißig vielleicht.
    Ich überlegte, was ich noch sagen könnte, aber mein Kopf war plötzlich eine leere Wüste. Wir flirteten doch, oder? Wenn es ums Flirten ging, war ich ziemlich unbeholfen, und jetzt hatte ich den Ball, den sie mir zugespielt hatte, fallen lassen.
    » Wohnen Sie hier in der Gegend?«, fragte sie.
    » Vier Straßen weiter, an der East Jones«, antwortete ich und zählte ihr dabei das Geld in die Hand. » Und wo wohnen Sie?«
    » Southside.«
    » Dann sind Sie ja ganz schön weit weg von Zuhause.« Southside war gut vier Meilen entfernt. Normalerweise stand ich Fernbeziehungen ziemlich skeptisch gegenüber, aber es war so verlockend, in ihre blauen Augen zu schauen. Ich hätte stundenlang ohne zu blinzeln in dieses Blau sehen können.
    » Ich gehe aufs SCAD .«
    Das Savannah College of Art and Design hatte einen hervorragenden Ruf, verlangte unglaublich hohe Studiengebühren und vergab keine Stipendien. Eine junge Frau aus reichem Haus also. Was ich für Flirten hielt, war wahrscheinlich bloß höfliche Freundlichkeit– ich spielte nicht in ihrer Liga, verdammt, ich war ein Typ mit einem Namensschildchen auf der Brust.
    » Was studieren Sie denn?«, fragte ich.
    » Grafikdesign. Berufswechsel– ich habe zehn Jahre lang in der Personalbeschaffung gearbeitet.«
    » Interessant.« Wieder entstand eine peinliche Pause. Sie zögerte, wartete, dass ich noch etwas sagte. Die einzige andere Kundin im Laden hantierte hinten im Laden bei den Energy Drinks herum und suchte die richtige Sorte Gatorade. Amos starrte auf die Straße hinaus und hielt nach Plünderern Ausschau.
    » Kommen Sie abends manchmal hier in die Gegend, um Musik zu hören oder so?«, fragte ich. Warum nicht, was hatte ich denn zu verlieren?
    » Nein. Abends ist es mir hier

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