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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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alles um dich herum von deiner Vergangenheit erzählt. Wie konnte ich an meinem Elternhaus in der Bolton Street vorbeigehen, ohne vor mir zu sehen, wie mein Vater in der Einfahrt seinen Lieferwagen wusch? An dem Abend, als ich meinen Eltern eröffnete, dass ich von Wirtschaftswissenschaften auf Soziologie umsteigen wolle, hatten wir in Clary’s Diner gegessen. An der Ecke Whitaker Street und York Street war ein Baseballkarten-Laden gewesen, wo ich mit John Kelly– in der sechsten Klasse mein bester Freund– zwanzig Jahre alte Kartenpäckchen gekauft hatte. Noch an der Eingangstreppe hatten wir sie mit zittrigen Händen aufgerissen, voller Hoffnung, eine seltene Rookie Card zu erwischen.
    Heutzutage konnte man sich kaum noch vorstellen, dass wir früher fünfzehn Dollar für ein Päckchen Baseballkarten zum Fenster rausgeworfen hatten. Aber damals schien immer genug Geld vorhanden zu sein, es war wie ein endloser Strom, floss einfach aus Moms Handtasche, oder aus den Händen von Leuten, für die ich nach der Schule leichte Jobs erledigte. Im Rückblick schien mir, als sei es damals allen gut gegangen. Selbst die ärmsten Kinder hatten sich bei McDonald’s einen Big Mac leisten können.
    An der Zufahrt zu einem der Gässchen, die sich hinter den Häuserreihen entlangzogen, bremste ich und setzte einen Fuß auf den Asphalt, denn das Geklapper und Gerassel eines Auspufftopfes hatte schon von Weitem den altersschwachen Volvo angekündigt, der sich jetzt hier herausschob. Eine alte Frau auf dem Beifahrersitz fixierte mich durch ihre Drahtgestellbrille mit einem nervösen Blick, während ihr Kopf zittrig hin und her wackelte.
    Die Gasse war von Obdachlosen-Asylen übersät. So nannte man jetzt die großen grünen Mülltonnen mit der Aufschrift City of Savannah, die meistens auf der Seite lagen, zwischen Müllbergen und mit Fliegen bedeckten Scheißhaufen. Oft schauten nur die Füße ihrer Bewohner heraus.
    Ich traute mich nicht, durch den Forsyth Park zu fahren, daher nahm ich den Gehweg an der Whitaker Street entlang. Das tickende Geräusch einer zentral gesteuerten Klimaanlage ließ mich aufhorchen. Offenbar kühlte hier jemand alle Zimmer einer Wohnung gleichzeitig, und ich staunte über diese Energieverschwendung. Von Block zu Block veränderte sich nun die Geräuschkulisse, fast unmerklich, und je näher ich den reicheren Vierteln kam, desto mehr Maschinen brummten und desto seltener hallten Schüsse.
    Aus einem offenen Fenster im ersten Stock waren die Schreie eines Mannes zu hören, der wohl furchtbare Schmerzen hatte. Ich trat kräftiger in die Pedale, denn ich musste an die Berichte über das fleischfressende Virus denken. Im Stillen wünschte ich dem armen Kerl alles Gute.
    Ich war lange nicht mehr in Southside gewesen. Es hatte sich kaum verändert– womöglich war das Viertel seit meinem letzten Besuch sogar noch schöner geworden. Durch die hohen Stahlgitter, die die Wohnblocks umgaben, konnte ich sehen, dass ein Teil der Rasenflächen gemäht war. Ich wagte mich nicht allzu dicht an die Tore heran, denn ich wollte nicht von irgendeinem Wachmann verprügelt werden, bloß weil ich mich so schäbig gekleidet in diesem vornehmen Stadtteil aufhielt. Dabei hatte ich für meinen Ausflug nach Southside meine allerbesten Klamotten angezogen.
    Hinter mir hupte ein Auto. Ich fuhr an den Straßenrand, und es zischte vorbei. Von nun an hielt ich mich am Rand, denn hier war mehr Verkehr, gelegentlich fuhr sogar ein Lieferwagen oder ein SUV vorbei.
    Wenn es darum geht, ob unser Öl in die Tanks von Luxusautos oder in die Düngemittelproduktion und damit in die Landwirtschaft zur Ernährung hungernder Menschen fließen soll, dann ist die Entscheidung schnell gefallen: Das Öl fließt in die Autos. Da die Energie so knapp war, wurde es zum Statussymbol, sie demonstrativ zu verbrauchen. Wer sein Licht auf der Veranda brennen ließ, verkündete aller Welt, dass er sich diese Stromverschwendung leisten konnte.
    Manchmal hatte ich einen Hass auf die Menschen, die im Wohlstand lebten, während wir Übrigen uns nur mit Mühe und Not durchschlugen. Vielleicht waren sie mir so zuwider, weil ich immer geglaubt hatte, ich würde auch einmal zu ihnen gehören– ich weiß es nicht. Wir hatten nichts, und sie besaßen so viel mehr, als sie brauchten. Aber sie waren eben auch nur Menschen und taten etwas durchaus Menschliches: Sie gaben nicht so einfach her, was ihnen gehörte.
    Der Eintritt ins Snowstorm kostete mich acht Dollar. Ich

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