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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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bezahlte nur, weil ich die Radtour von fünf Meilen auf mich genommen hatte, um herzukommen, und hatte dabei ein schlechtes Gewissen. So viel Geld auszugeben stand mir nicht zu, wenn Jeannie um die Erlaubnis bat, ein bisschen Erdnussbutter zu essen.
    Ich trat durch eine große Doppeltür und ging die Rampe hinauf, die in den Club führte. Oben angekommen, traute ich meinen Augen nicht. Auf einmal befand ich mich in den Alpen. Da gab es Skihänge, die in schwindelnden Höhen verschwanden, Schneewehen und Schneemänner mit Drinks in den froststarren Händen. Auf einem zugefrorenen Teich wurde getanzt. Wahrscheinlich Holografie, aber atemberaubend perfekt, fast greifbar echt. Beinahe wäre ich wie ein Provinzler staunend mit offenem Mund herumgelaufen, doch ich riss mich zusammen und schlenderte umher, als hätte ich das alles schon gesehen. Mir wurde klar, dass die Entwicklung trotz allem weiterging. Selbst in diesen schrecklichen Zeiten wurde ständig Neues erfunden. Bloß dass ich das normalerweise nicht mitkriegte, dass ich diese Dinge so wie die Menschen in Dritte-Welt-Ländern nie zu Gesicht bekam.
    Überall hingen diese coolen reichen Kids herum, mit Frisuren, die so unterschiedlich waren wie die Geschmacksrichtungen von Eiscreme: Dreadlocks oder Irokesenschnitt, Betty-Page-Frisuren, Zöpfchen, rote und weiße Strähnchen.
    In einer Ecke, auf einem vereisten Felsvorsprung, befand sich in zehn Metern Höhe eine Alpin-Bar. Anscheinend kein Hologramm, denn die Gäste an der Theke waren nicht besonders attraktiv. Dort würde ich mich vielleicht einigermaßen wohlfühlen. Ich beobachtete, wie ein blonder Kerl, der mit seiner Frisur wie ein kleiner holländischer Junge aussah, auf eine Stahlplatte trat, die ihn zur Bar hinauftrug, also machte ich es genauso.
    Oben setzte ich mich neben einen mindestens Sechzigjährigen mit schwermütigen roten Augen und dünnem weißem Haar. Zwischen den Flaschen hinter der Bar stand ein Fernsehgerät, gerade liefen Nachrichten. Flüchtlinge aus Arizona und New Mexico strömten nach Kalifornien.
    » Von da komme ich gerade«, sagte der Mann, ohne jemanden direkt anzusprechen.
    » Aus Kalifornien?«, fragte ich.
    » Aus Arizona«, sagte er.
    » Ich habe gehört, dass es in Arizona gerade nicht so gut läuft.«
    Er nickte. » In Arizona ist es schlimm.«
    Ein Mann mit großen Ohren, der einen Anzug trug, drehte sich zu mir. » Mann, es ist doch überall schlimm«, sagte er.
    Der Weißhaarige fixierte ihn mit flackerndem Blick. Der Bildschirm verfärbte sein Gesicht leicht bläulich. » Mister, Sie haben keine Ahnung, was schlimm ist. Richtig schlimm. Da gibt es kein Wasser mehr. Keinen Tropfen. Wer ein Auto hat, ist schon vor Monaten abgehauen. Die sind einfach über die Leichen drübergerauscht, die auf den Straßen…«
    » Okay, schon gut! Halt’s Maul, ja?« Der Mann im Anzug wandte sich ab. » Herrgott noch mal.«
    » In Arizona ist es schlimm«, wiederholte der Ältere und schüttelte den Kopf. Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander, guckten Fernsehen ohne Ton und hörten der Musik zu.
    Vor der Depression 2013 hatten die meisten Amerikaner nicht gewusst, was Leiden bedeutet. In der Schule hatten wir immer von der sogenannten » Großen Depression« gehört, so als wären viele Arbeitslose, die einigermaßen gut genährt waren, schon eine schreckliche Katastrophe. Wir waren verweichlicht. Doch inzwischen hatte sich das geändert– wir hatten gelernt, bitter zu essen, wie die Chinesen sagen.
    » Ich habe gehört, dass es in China sogar noch schlimmer ist«, sagte ich.
    » In China?«, sagte mein Nachbar. » Sollen sie doch verrecken. Mein Neffe ist da drüben umgekommen. Abkratzen sollen die.« Er trank einen Schluck und schüttelte den Kopf. » Das hab ich mir alles ganz anders vorgestellt. Ich hatte Investmentfonds als Altersvorsorge. Ich hatte mein Haus und meine Kartenspielabende und Geld für Nutten.«
    Als ich in der Menge nach der SCAD -Frau suchte, fiel mein Blick plötzlich auf eine Farbige, die auf der Eisfläche tanzte. Sie hatte die Hände über den Kopf gehoben und beschrieb mit den Hüften kleine Kreise.
    Sophia.
    Sie tanzte mit zwei anderen Frauen und kreiste dabei wild mit den Hüften– ein Tanz von den karibischen Inseln. Sie sah einfach atemberaubend aus.
    Das Herz klopfte mir bis zum Hals. Ich fuhr wieder nach unten und drängte mich durch die Menge. Als ich mich der Tanzfläche näherte, änderte sich die Musik schlagartig, aus dem zeitgenössischen Pop

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