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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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wurde ein stampfender karibischer Tanz, so als wäre ich durch eine unsichtbare Membran gegangen, die die Klänge voneinander trennte. Wieder etwas Neues. Ein paar Meter vor den Tänzerinnen blieb ich stehen und schaute ihnen zu.
    Als Sophia mich erkannte, hörte sie auf zu tanzen und öffnete den Mund zu einem stummen » Oh, mein Gott!« Sie blieb unschlüssig stehen, kam jedoch schließlich zu mir herüber.
    » Hi.«
    » Hi«, sagte ich. » Was für ein Zufall.«
    » Kann man wohl sagen«, erwiderte sie, noch atemlos vom Tanzen, und schnaubte durch geblähte Nasenflügel wie ein Fohlen nach dem Galopp. » Ich bin ganz nervös. Meine Beine zittern.«
    » Meine auch.«
    » Wie geht’s dir?«
    » Viel besser. Danke, dass du mir diese Stelle vermittelt hast. Das hat unser Leben verändert. Jeannie hat auch einen kleinen Job gefunden, in einem Recycling-Zentrum, da beizt sie alte Möbel ab. Und Colin kann manchmal im Hafen arbeiten.«
    » Das ist ja toll!« Sophia lächelte, aber ihr Blick war kummervoll. Ich hatte mir diesen Moment hundert Mal vorgestellt, und jetzt fielen mir nur Belanglosigkeiten ein.
    » Tut mir leid, dass alles so gekommen ist«, sagte ich.
    Sie zuckte die Achseln. » So ist das Leben. Da kann man nichts machen.«
    » Ja, stimmt wohl.«
    Ein großer schlanker Schwarzer in einem weißen Seidenhemd kam mit Drinks in zwei Sektflöten auf uns zu. » Möchtest du noch einen?«, fragte er Sophia.
    » Oh, danke.« Sie nahm ihm ein Glas ab. » Ähm, Jasper, das ist Jean Paul.« Ihr Mann war zehn Zentimeter größer als ich und sah besser aus.
    Ich nickte. Er betrachtete mich mit süffisantem Grinsen. » Mein Mipwi«, bemerkte er.
    » Was heißt das?«, fragte ich Sophia.
    » Das heißt«, sie überlegte einen Moment, » mein Konkurrent.«
    Wie sollte ich darauf bloß reagieren? Jean Paul grinste immer noch auf mich herunter. » Na, sind Sie meiner Frau hierher gefolgt?« Er öffnete beim Sprechen kaum den Mund, sodass er irgendwie hinterhältig wirkte. Einem Mann, der nur selten seine Vorderzähne sehen ließ, war nicht zu trauen.
    » Nein, ich treffe mich hier mit jemandem«, antwortete ich. » Ich bin verabredet.« Ich schaute zur Bar hinüber und betete um ein Zeichen von der SCAD -Frau, damit ich diesem Albtraum mit Würde entfliehen konnte. Sophia brachte ein Lächeln zustande, sah aber aus, als sei auch ihr die Situation verdammt peinlich. Da bemerkte ich eine Frau, die mit drei anderen Frauen halb versteckt in einer Nische saß. Sie hatte das Haar hochgesteckt, und obwohl ich sie nur kurz gesehen hatte, glaubte ich, die blauäugige Studentin wiederzuerkennen. Im nächsten Moment drehte die Frau sich um– tatsächlich, sie war es.
    » Da ist sie.« Ich versicherte Sophia, es sei schön gewesen, sie wiederzusehen, nickte ihrem Mann verlegen zu und ging zum Tisch der Frauen hinüber. Ich spürte ihre Blicke. Wieder veränderte die Musik sich ganz plötzlich, diesmal zu einem alten Song von Carbon Leaf. Mein Vater hatte Carbon Leaf sehr gemocht.
    » Hallo.« Ich beugte mich über den Tisch. Alle vier Frauen schauten mich an.
    » Ach, hi«, sagte sie. Sie trug ein langes weißes Kleid mit Rüschen an den Ärmeln. Gut sah sie aus.
    » Wollte mir mal Ihre Lieblingsbar ansehen«, sagte ich.
    » Ja. Wie geht’s?«, fragte sie, machte aber keine Anstalten, aufzustehen.
    » Gut, super. Und Ihnen?«
    » Gut. Wie sind Sie hergekommen?«
    Ich zuckte die Achseln. » Mit dem Fahrrad.«
    » Toll. Na, war nett, Sie wiederzusehen.« Sie wandte sich wieder ihren Freundinnen zu.
    Ich zögerte noch einen Moment, dann drehte ich mich um. Sophias Mann beobachtete mich. Er flüsterte Sophia etwas ins Ohr, und sie schaute zu mir herüber, antwortete ihm, runzelte die Stirn und ging dann zu ihren Freundinnen an eine Bar, die in eine Schneewehe hineingebaut war.
    In der schwachen Hoffnung, dass ich die Abfuhr möglicherweise missverstanden hätte, warf ich einen Blick zum Tisch zurück, an dem meine » Verabredung« saß. Vielleicht zeigte sie ja doch ein bisschen Interesse an mir, so wie im Mini-Markt? Aber sie schaute stur geradeaus über den Tisch, zu ihren Freundinnen. Warum hatte sie sich dann überhaupt mit mir unterhalten? Warum hatte sie mir zugezwinkert, wenn sie sich jetzt nicht mal auf fünf Minuten Small Talk mit mir einließ? War es ihr peinlich, vor ihren Freundinnen zuzugeben, dass sie mich kannte?
    Ich ging zu ihrem Tisch zurück. Endlich sah sie zu mir hoch. Ich zerbrach mir den Kopf, wollte eine

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