Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Ohne die böse Überraschung am Ende«, sagte Chair.
» Wir wollen ganze Stadtgebiete damit überziehen, in einem einzigen koordinierten Angriff, und so mit einem Schlag das gesamte Geschäftsleben zum Stillstand bringen. Wir werden den Bambus abends pflanzen, an Stellen, wo er für maximale Störungen sorgt– auf stark befahrenen Straßen oder um Einkaufszentren und Touristenattraktionen herum.«
» Halt mal.« Ich war stehen geblieben und trat nun wieder in den Raum. » Wie soll dieses Gewächs denn Menschenleben retten? Das klingt doch, als wolltet ihr das Chaos nur vergrößern.«
» Wir müssen die Abläufe verlangsamen«, erklärte Sebastian. » Sonst setzen die USA in sechs bis zwölf Monaten in mindestens einem Land Atomwaffen ein, und dann herrscht hier Kriegsrecht, und es wird richtig übel. Also versperren wir die Straßen. Damit legen wir den Verkehr lahm, beschäftigen das Militär und reduzieren die Gewalt auf den Straßen.«
» Aber werden damit nicht auch Lebensmitteltransporte verhindert?«, fragte ich. » Dadurch könnten doch Leute verhungern.«
» Der Bambus könnte die Transporte erschweren, aber wirklich verhungern sollte eigentlich niemand. Na, vielleicht der eine oder andere.«
» Verdammt eiskalt kalkuliert«, sagte Ange.
» Kommt drauf an, wie man es betrachtet«, erwiderte Chair. » Ist es nicht sinnvoll, jetzt ein paar Tausend Leben zu opfern, wenn man dafür später ein paar Milliarden retten kann?«
Diese Logik gefiel mir zwar nicht so richtig, aber ich hielt den Mund. Es war klar, dass sie kein besonderes Interesse daran hatten, abweichende Meinungen zu hören.
» Und was hast du uns sonst noch mitgebracht?«, fragte Rami.
Mit einem Lächeln breitete Sebastian die Arme aus. » Steht vor dir!«
Chair runzelte die Stirn. » Du selbst bist die andere Lieferung?«
Sebastian nickte.
» Was hast du denn für Fähigkeiten?«, wollte Rami wissen.
» Es geht nicht um das, was ich kann, sondern um das, was ich mitbringe. In meinem Blut.« Sebastian kramte in seinem Rucksack und zog eine Plastiktüte heraus, die an einem dünnen Schlauch hing. Er drückte sich das Ende des Schlauches in die Armbeuge und demonstrierte so, dass er zum Blutabnehmen gedacht war. » Es ist ein Virus. Es heißt Doctor Happy, und es nimmt denen, die damit infiziert sind, jegliche Aggression. Garantiert.«
Am Nachmittag war es brüllend heiß, so heiß, dass es einen Wochenlohn gekostet hätte, das Haus kühl zu halten. Daher zog die Gruppe auf das beschattete Dach um. Weitere Gäste waren dazugekommen, hauptsächlich junge Rebellentypen mit interessanten Frisuren. Einer brachte einen Gettoblaster mit und legte Necrobang auf. Die ganze Zeit rechnete ich damit, dass sie mich rausschmeißen würden, aber das taten sie nicht.
Sebastian ließ sich zur Ader, während andere sich über Datenhandschuhe beugten und kurze Nadeln in die ledernen Fingerpolster einsetzten. Zusammen mit Chair und Rami zählte ich elf Mitglieder dieser Infektions-Bande. Ich kannte nur einen von ihnen, nämlich Cortez, aber Ange schien sie fast alle zu kennen. Es überraschte mich nicht, dass ich Cortez hier wiedertraf. In letzter Zeit hatte er desorientiert gewirkt, so als suche er nach einer Richtung in seinem Leben. Er hing viel mit undurchsichtigen Bandentypen herum.
Ange beobachtete die anderen bei ihren Tätigkeiten. Sie wirkte ambivalent, als sei sie in einem Niemandsland zwischen mir und Chair gefangen. Ich trat hinter sie. » Die ganze Geschichte riecht nach einer Jumpy-Jump-Aktion«, sagte ich.
Der Plan bestand darin, das Virus mehr oder weniger willkürlich zu verbreiten, dabei waren Männer die Zielgruppe, insbesondere alle, die wie Geschäftsleute oder Anhänger der Regierung aussahen. Diejenigen zu infizieren, die am meisten von dem Virus profitieren würden– Mitglieder von Banden, führende Politiker, Polizisten– schien zu riskant.
Ange nickte abwesend. » Ich weiß. Aber das hier sind die Guten. Ich habe das Gefühl, ich sollte ihnen vertrauen.«
» Zu dem Kerl da habe ich nicht viel Vertrauen.« Ich deutete auf Sebastian, der im Takt der Musik herumhüpfte und dabei sein Blut durch den Schlauch laufen ließ.
» Ich weiß auch nicht, was ich von dem Schrumpfkopf halten soll.« Sie verschränkte die Arme und blies sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. » Ich glaube, ich biete ihnen an, Schmiere zu stehen. Denn die Bullen sollen ja nicht mitkriegen, was da passiert.«
Ich hätte Ange gerne erklärt,
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