Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
schwanzwedelnd zerrte Uzi an der Leine. Er versuchte, Ange über die Straße zum Jackson Square und seinen Lebenseichen zu ziehen. » Nein, Uzi«, sagte Ange, als könnte sie ihn damit beeindrucken. Er pinkelte mit Vorliebe an die dicken Stämme.
» Soll ich ihn mal nehmen?«, erbot ich mich, doch sie schüttelte den Kopf. » Meintest du eben normale US -Soldaten aus dem Fort Stewart oder private Söldner?«, hakte ich nach.
» Ganz normale Soldaten. Cortez ist doch nicht lebensmüde.«
Im Park hielten sich mehr Menschen auf als gewöhnlich. Jedenfalls mehr Erwachsene. Die Kinder waren immer dort und spielten ihre unverständlichen Spiele. Sie sprangen zwischen großen bunten Punkten herum, die sie auf den asphaltierten Flächen und den Gehwegen ausgelegt hatten, mal hoch konzentriert, mal aus vollem Halse lachend, sie bespritzten sich mit großen Wassergewehren und rollten Würfel so groß wie Tennisbälle. Doch jetzt saßen auch Gruppen von Erwachsenen im Kreis zusammen, kochten auf offenen Feuern und bogen sich vor Lachen. Sie waren mit Doctor Happy infiziert.
Drei Tage nach der Infektionsparty von Chair und Sebastian war Doctor Happy das beherrschende Thema in den lokalen Abendnachrichten gewesen. Man sprach von einem seltsamen neuen Virus, das zu » Desorientierung, Antriebslosigkeit und Leichtsinn« führe. Sebastian hatte gemeint, der Regierung würde dieses Virus ganz und gar nicht gefallen. Autoritäre Typen sehen es nicht gern, wenn Menschen ihr Bewusstsein verändern– ihnen ist es lieber, wenn sie Blut kotzen.
Über uns dröhnte ein Ultraleicht-Hubschrauber, sein Schatten glitt über die Straße. Wahrscheinlich irgendein reicher Arsch, der zu einem Martini ins Rooftop Elysium flog.
» Ein Königreich für einen Raketenwerfer«, sagte Ange, als sie hochschaute.
» Vielleicht kannst du dir ja einen leisten, wenn du deine Dissertation fertig hast.« Ich lachte. » Wenigstens kannst du dann in einem geschlossenen Viertel leben.«
Aufgebracht funkelte Ange mich an. » Da würden mich keine zehn Pferde hinkriegen. Klar, ich würde in einem besseren Viertel wohnen, aber niemals in einem dieser widerwärtigen eingezäunten Gettos.« Ange kickte eine Sodadose aus dem Weg. » Ist sowieso egal, denn ich kriege meinen Doktortitel nicht.«
Ruckartig blieb ich stehen. » Wie bitte?«
Wieder legte Ange den Kopf zurück und schaute in den Himmel. » Ich habe mich mit meinem Doktorvater getroffen, mit Charles. Zum Dinner natürlich. Im Pink House.«
» Typisch«, brummte ich. Das Pink House war ein stinkvornehmes Restaurant, mit seidenen Tischdecken und Korkenbeschnüffelung, bevor der Wein eingeschenkt wurde.
» Ja. Und er hat seine übliche Scheiße abgezogen– erst hat er mich zur Begrüßung umarmt und begrapscht, dann hat er mir immer das Haar aus den Augen gestrichen und so, Anmache von vorne bis hinten, die ganze Palette. Ich habe ihn gefragt, ob wir einen Termin für mein Rigorosum festlegen können, und er hat gesagt, nein, ich müsste noch eine weitere Studie anfertigen. Dann hat er seinen Terminkalender aus der Tasche gezogen und mir eröffnet, dass seine Frau in der ersten Hälfte der nächsten Woche nicht zu Hause sei. Ich solle doch bitte am Dienstagabend zu ihm nach Hause kommen und diese neue Studie mit ihm besprechen.«
Uzi zerrte kräftig an der Leine, er wollte sich bewegen. Wir gingen weiter.
» Da wurde mir auf einmal klar, dass ich erst einen Termin für mein Rigorosum kriege, wenn ich mich von ihm ficken lasse.« Ange wollte weitersprechen, doch ihr versagte die Stimme. Sie holte ein paarmal tief Luft, bis sie sich wieder in der Gewalt hatte, dann fuhr sie fort: » Der wird mir einen Stein nach dem anderen in den Weg legen und mich noch tausendmal zu solchen entsetzlichen Essen zwingen, denn er hat mich total in der Hand.«
Ein Stückchen weiter lungerte ein Jumpy-Jump auf einer Vordertreppe herum und beobachtete, wie wir näher kamen. Oder eigentlich beobachtete er Ange. Er trug eine nachgemachte Briefträger-Uniform.
» Vier Jahre lang habe ich davon geträumt, dass ich da oben auf der Bühne stehe und dass meine ganze Familie, inklusive meiner ätzenden Großmutter, zusieht. Na, du alte Ziege, was hältst du jetzt von deiner Enkelin, von dieser drogensüchtigen Spinnerin, die keinen Entzug durchhält und mit den Landstreichern rumzieht? Das hätte ich nicht mal laut aussprechen müssen. Wahrscheinlich wäre außer meiner Mutter und Cory ohnehin niemand erschienen, aber in der
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