Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
dass der Fahrer des Fluchtautos moralisch gesehen nicht besser war als die Bankräuber, aber ich hütete mich, mit ihr zu diskutieren.
Rami holte eine Literflasche selbst gebrannten Korn hervor, den man inzwischen an jeder Straßenecke kaufen konnte, und ließ sie herumgehen. Chair nickte im Rhythmus der Musik und beobachtete die Leute, die ihre Gliedmaßen bewegen konnten, mit einer Spur von Neid. » Carpe diem«, rief er, die Musik übertönend, » aber vergesst nicht, dass wir auf der Titanic feiern.« Er trank einen großen Schluck aus einer schmutzigen Plastiktasse.
Ich war nicht überzeugt, dass es noch schlimmer werden würde. Mir schien, dass wir schon am tiefsten Punkt angelangt waren, oder jedenfalls kurz davor. Es war zwar schwer zu ignorieren, wenn vor dem eigenen Wohnhaus ein Polizist Blut auf den Bürgersteig kotzte, aber die meisten Experten im Fernsehen waren der Ansicht, dass es bald besser werden würde– dass der Aktienmarkt sich erholen würde, dass man die Jumpy-Jump-Bewegung zerschlagen würde, dass es in den Krisengebieten rund um den Globus, wo wir involviert waren, zur Entspannung kommen würde und dass wir das Abschmelzen der Polkappen in den Griff bekommen würden. In den vergangenen fünf Jahren war die Situation zwar nicht besser geworden, aber auch nicht wesentlich schlimmer. Wir mussten einfach abwarten. Ein Glücksvirus zu verbreiten und wild wuchernden Bambus zu pflanzen, schien mir ganz und gar nicht der richtige Schritt zu sein.
» Kann’s losgehen, ihr beiden?« Cortez legte Ange einen Arm um die Schultern. Mein Eifersuchtsradar schlug Alarm, aber Ange hatte mir ein Dutzend Mal versichert, sie habe kein Interesse daran, wieder etwas mit Cortez anzufangen.
» Ich glaube, ich passe«, antwortete ich. Cortez zuckte die Achseln, als sei ihm alles recht. Ange winkte und warf mir eine Kusshand zu.
Ich wanderte in die Gaston Street, um dort eine Frau zu besuchen, die in Ruplus Mini-Markt Honig verkaufen wollte. Wir boten diese Waren normalerweise auf Kommissionsbasis an, einerseits, um unsere Ausgaben zu minimieren, und andererseits, weil die Verluste dann nicht ausschließlich Ruplu trafen, falls der Laden wieder ausgeraubt werden sollte.
Ich überholte zwei Männer mit Zivilschutz-Armbändern. Untergruppen dieser Organisation schienen wie Pilze aus dem Boden zu sprießen. Jede zweite freie Betonwand war entweder mit einem Poster verziert, mit dem Soldaten angeworben werden sollten, oder aber mit ihrem Logo, das mithilfe einer Schablone aufgesprüht worden war. Es stellte einen fliegenden Adler dar, der eine Ratte in den Krallen trug. Die Ratte sollte für die Jumpy-Jumps und Verbrecher jeder Art stehen, aber mir kam es zunehmend so vor, als würde die beträchtliche Gebühr, die Ruplu dem Zivilschutz zahlte, den Mini-Markt eher vor dem Zivilschutz selbst schützen als vor sogenannten Kriminellen.
Die Imkerin schüttelte mir mit beiden Händen die Hand. Sie war alt, mindestens achtzig. Ihr Sommerkleid war mit ziemlicher Sicherheit aus alten Vorhängen genäht worden. Sie nahm mich mit auf das Dach ihres Hauses, wo sich eine Eckgaube mit steilem, spitzen Dach an einen uralten, aus Backsteinen gemauerten Schornstein schmiegte.
Ich verstand nichts von Bienen und hatte auch kein großes Interesse, etwas über sie zu erfahren, aber die alte Frau hielt mir voller Begeisterung einen ausführlichen Vortrag über Bienenhaltung und ihre Bienenstöcke. Anschließend gingen wir in ihr Wohnzimmer hinunter, um die Einzelheiten zu besprechen. Sie sagte, während der Saison könne sie etwa dreißig Gläser pro Woche liefern. Ich hielt das Honigglas, das sie mir gereicht hatte, ins Licht. Kleine Stückchen Bienenwaben, Staub und etwas, das aussah wie ein Bienenflügel, schwebten in der zähflüssigen goldenen Masse. Mir lief trotzdem das Wasser im Mund zusammen, aber ich hatte festgestellt, dass die Kunden für Ware, die nach Massenproduktion aussah, viel mehr bezahlten.
In einem Zeitungsständer neben dem Lesesessel der alten Dame steckte ein vergilbtes Micky-Maus-Malbuch. Ich zog es heraus, betrachtete Micky auf dem Umschlag und hielt das Malbuch hoch. Ich deutete auf Micky. » Machen Sie bitte Folgendes: Nehmen Sie dieses Heft mit zu Mark Parcells in der kleinen Druckerei Whitaker, und bitten Sie ihn, Klebeschilder mit diesem Bild und der Aufschrift › Micky-Maus-Honig‹ zu drucken. Dann wird Ihr Honig sich wesentlich besser verkaufen.«
» Aha?« Die Frau klang alles andere als
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