Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Mitten im langsam fortschreitenden Weltuntergang befand ich mich gerade in einer Partnervermittlungsagentur. Es würde nicht wieder besser werden, wie die Regierung uns weismachen wollte, sondern nur immer noch schlimmer.
Danielle erklärte gerade, es habe sie wirklich gefreut, mich kennenzulernen. Mich habe es auch gefreut, antwortete ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob das stimmte. Plötzlich hatte ich ein Lied im Kopf, einen richtig alten Song, in dem es hieß, wenn die ganze Welt den Bach runtergeht, mach’s Beste draus, wie schlimm es auch steht– oder so ähnlich. Komisch, wie einem manchmal ganz von selbst die passenden Popsongs in den Sinn kommen.
Als Danielle verschwand, betrachtete ich die Nymphe, die sich zum Himmel reckte, und den Wasserstrahl, der aus ihrem Mund plätscherte. Ihre Flügel waren für ihren Körper zu klein, sodass man den Eindruck hatte, Fliegen müsse eine furchtbare Anstrengung für sie sein– nicht die Freiheit eines schwebenden Adlers, sondern eher das wilde Flattern eines Flughundes.
Die folgenden Speed-Dates erlebte ich wie in einem Nebel. Da war Savita, eine zierliche Inderin mit großen Rehaugen und langem schwarzem Haar, das sie nach Art der Inderinnen über eine Schulter gelegt trug. Als Nächste kam Keira, die tiefe schwarze Schatten unter den Augen hatte. Obwohl die Welt unterging und ich ein Geräusch hörte, als würden Fotos zerrissen, bemühte ich mich, den Frauen zuzuhören.
Danach tauchte Emily auf, die schlechte Witze erzählte und Verzweiflung ausstrahlte. Die meisten Menschen können es nicht ertragen, Single zu sein. Wie oft habe ich miterlebt, dass Leute sich nach einer Scheidung sofort den nächstbesten Partner suchen, den sie innerhalb von, sagen wir mal, drei Monaten finden können, und diesen Menschen dann heiraten. Schon die Vorstellung, allein zu sein, erschreckt sie zu Tode. Es ist, als wäre ihnen dieses Licht zu hell und sie flüchteten daher in den nächsten erreichbaren Schatten.
Wenn man ungebunden ist, lebt man gefährlicher. Ein Partner gibt einem ein Gefühl von Sicherheit, und ich glaube, wenn man nicht aufpasst, kann das zu Bequemlichkeit führen, zu einer gewissen Trägheit. Man verspürt kein Bedürfnis mehr, wirklich am Leben teilzuhaben. Single zu sein bedeutet, dass man ohne Netz lebt. Es ist riskanter. Wenn man auf eine Straßenmine tritt und ein Bein verliert, hat man keine Frau, die einen herumschiebt. Wenn man Milch trinkt, die mit Gerinnungsfaktor verseucht ist, und einen Schlaganfall kriegt, hat man keine Partnerin, die einem den Sabber vom Kinn wischt. Trotz meiner brennenden Sehnsucht, eine Frau kennenzulernen, war ich stolz auf meine Fähigkeit, in dieser Zeit allein zu leben. Ich war stolz darauf, dass ich den Mut hatte, auf die Richtige zu warten, statt mich in den Schutz der Erstbesten zu flüchten.
Die nächste Frau hieß Bodil Gustavson. Dreiunddreißig, Künstlerin. Als sie auftauchte, fing mein Herz hörbar an zu hämmern.
Es war Deirdre.
» Oh, das wird schön«, sagte sie. Sie nuckelte an einem grünen Lutscher. Das weckte Assoziationen, die ich schnell wieder verscheuchte.
Ihre niedlichen kleinen Hände nestelten an irgendetwas herum, so wie immer, es gehörte zu ihrer Kindlichkeit, die mich damals hatte dahinschmelzen lassen wie ein Eis am Stiel in der Julisonne. Aber in Wirklichkeit hatte Deirdre wenig Kindliches an sich. Ich erinnerte mich an ihre Sammlung von Notrufen, an die Aufnahmen von Menschen, die ins Telefon schrien oder am Telefon starben, von Sechsjährigen, die der Telefonistin berichteten, dass Mamis Gesicht blau war und dass Schaum aus ihrem Mund kam. Und dann war da noch der Song über meine Sippe, den sie geschrieben hatte.
» Dann sag mal– Jasper heißt du, oder?– was suchst du in einer Frau?« Sie zeigte mit dem Lutscher auf mich.
» Was hast du mit meinen Fotos gemacht?«
» Leck mich am Arsch, Jasper.« An dem Tag, als ich mit Deirdre Schluss gemacht hatte, war ich schockiert darüber gewesen, welche Wut aus ihren Augen sprühen konnte. Jetzt schaute sie mich wieder mit dem gleichen Blick an.
» Sag mal, vermisst du die hier?« Sie zog die sittsame Bluse mit Stehkragen und Blümchenmuster hoch, die sie trug, und ließ ihre Brüste vor mir wackeln. Ich saugte den Anblick auf wie ein Heroinsüchtiger den Anblick der Nadel.
» Hast du meine Fotos noch? Was ist mit ihnen passiert?« Deirdre ließ ihre Bluse wieder fallen und strich sie glatt.
» Mit den ganzen Chilis, die wir auf dem
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