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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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klang das, als hätten er und seine superschlauen Freunde die Gabe der Weissagung. Aber die Bambuskatastrophe machte deutlich, dass sie nicht halb so viel Durchblick hatten, wie sie glaubten. Mir war nicht entgangen, dass Sebastian bei seiner Behauptung, der Bambus würde eher helfen als schaden, gerade zum ersten Mal das Wort » wahrscheinlich« benutzt hatte.
    » Das ist ja alles gut und schön«, sagte ich, » aber hat irgendjemand vor, dieses wuchernde Scheißzeug wieder unter Kontrolle zu bringen?«, fragte ich.
    » Die Leute arbeiten daran. Aber das ist eine harte Nuss– der Bambus ist so gezüchtet, dass Herbizide ihm nichts anhaben können, und selbst wenn man ein wirksames Mittel gegen ihn erfinden würde, sind die Rhizome so gezüchtet, dass sie sich nach einer Weile ablösen, sodass man immer nur eine ganz kleine Gruppe auf einmal abtöten kann.«
    » Wow, guckt mal, wie die rennt!«, sagte Colin.
    Deirdre sprintete mit gesenktem Kopf auf uns zu. Furcht und auch ein bisschen Lust überkamen mich bei ihrem Anblick. Sie schaute kurz hoch, sah uns und bremste sofort zu einem lässigen Gehen ab. Sie trug schlichte alte Shorts und ein T-Shirt. Diese unauffällige Kleidung war für Deirdre vollkommen untypisch. Hinter ihr auf den Gleisen sah ich weitere Fußgänger– immer mehr Flüchtlinge, die dem Chaos entkommen wollten. Wir würden nicht einsam sein.
    Als Deirdre uns erreichte, war sie nicht einmal außer Atem.
    » Dann also nichts wir raus hier«, sagte sie zur Begrüßung und marschierte einfach an uns vorbei. Wir hoben unsere Bündel wieder auf.
    Deirdre. Sophia. Als würde meine Vergangenheit mich einholen.
    » Ich hatte ganz vergessen, wie charmant sie ist«, sagte Colin, als wir Deirdre in den schmalen Tunnel hinein folgten, den die Züge in den Bambus geschnitten hatten. » Ich verstehe gar nicht, warum du dich von ihr getrennt hast.«
    Auf Bahngleisen zu gehen, ist einfach ätzend. Der grobe Schotter zwischen den Schienen ist holprig, und die Bambusstoppel machten das auch nicht besser, daher versuchte man instinktiv, auf die Schwellen zu treten. Doch die Abstände waren nie gleich, deswegen musste ich ständig meine Schrittlänge anpassen. Immer wieder entschloss ich mich, die Schwellen zu ignorieren, hob den Kopf und ging einfach so weiter, doch bald senkte ich den Blick wieder, hypnotisiert von den Schwellen, und kam mit meinen Schritten wieder aus dem Rhythmus.
    Nach kaum einer Stunde stießen wir auf Stellen, an denen der Bambus schon wieder frisch durch den Schotter trieb, und das machte das Vorwärtskommen noch schwieriger. Hinzu kamen die Insekten– Sandmücken flogen surrend Angriffe auf meine Augen und Ohren, und größere Moskitos stachen mir in die Knöchel.
    » Hat jemand was gegen Insekten dabei?«, rief ich.
    » Ich.« Ohne sein Tempo zu verlangsamen, nahm Sebastian seinen Rucksack ab. Aber Deirdre war schneller. Sie warf mir von vorn eine Tube zu, ohne sich dabei umzudrehen. Die Tube landete vor Jeannies Füßen, und Jeannie hob sie auf, drückte einen Klecks für sich selbst heraus und reichte mir das Mittel dann weiter.
    » Danke«, sagte ich. Keine Antwort.
    Ausnahmsweise fiel es mir mal nicht schwer, mich in Deirdre hineinzuversetzen. Sie ärgerte sich, weil sie mich um Hilfe hatte bitten müssen. Sie fragte nie gerne um Hilfe, und unsere Geschichte machte es noch schwieriger für sie. Aber gleichzeitig hatte sie das Gefühl, mir etwas schuldig zu sein. Folglich hasste sie mich und war mir gleichzeitig dankbar.
    Wir gingen um eine scharfe Kurve, und plötzlich war Cortez vor uns. Er saß mitten auf den Gleisen, an einen ungeheuren Rucksack gelehnt.
    » Meine Damen. Meine Herren«, begrüßte er uns.
    Alle riefen durcheinander, begrüßten ihn und nahmen ihn in die Arme.
    » Hat Sophia es geschafft?«, fragte ich ihn, während ich ihn umarmte.
    » Sie ist noch unten. Wir treffen die beiden ungefähr fünf Meilen von hier.«
    » Hey, dich kenne ich doch«, sagte Deirdre.
    » Ich habe vor fünf oder sechs Jahren für dich gearbeitet.« Cortez schüttelte ihr die Hand. » Schön, dich wiederzusehen.«
    Deirdre schaute in die Kiefernwipfel hinauf. » Wollen wir weiter?«, sagte sie. Sie drängte sich an Cortez vorbei und zog los. Wir anderen folgten ihr.
    » Was machen die Regierungstruppen eigentlich in der Stadt?«, fragte ich Sebastian, denn er schien alles zu wissen.
    » Die Regierung versucht, das Land wieder unter Kontrolle zu bringen. Weißt du noch, wie letztes Jahr nach der

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