Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
Vom Netzwerk:
mich selbst zu testen, beobachtete ich Sophia, bereit, mich sofort in mich zurückzuziehen, falls diese Gefühle wieder auftauchen sollten. Aber bisher war es erträglich. Vielleicht gab es den Jasper, der sich so rettungslos in Sophia verliebt hatte, gar nicht mehr– er war von einer Schaufel erschlagen oder von einem Schuss zerrissen worden, oder an einem Katzenfötus erstickt.
    Wir rasteten auf einer Eisenbahnbrücke, zehn Meter über einem trägen Fluss– so hoch, dass der Bambus uns nicht erreichen konnte. Der Fluss war nicht schnell genug, um Energie zu erzeugen, und die Sonne war untergegangen, daher ließen wir unsere uralten Solardecken und die Wassermühle eingepackt. Cortez zog ein großes Stück gekochtes Fleisch, das in eine Plastiktüte gewickelt war, aus seinem Rucksack und schnitt es mit einem furchterregenden Jagdmesser in Scheiben. Sophia und Jean Paul packten Brot, Erdnussmus und Kekse aus, Lebensmittel, die sie schnell noch auf die Flucht mitgenommen hatten. Colin und Jeannie holten Wasser aus dem Fluss und hängten den Wasserfilter an den Akku. Solche Wasserfilter hatten wir in unserer ersten Phase als Nomaden nicht besessen, und sie würden uns das Leben ein wenig erleichtern. Ja, der Fortschritt.
    Wir setzten uns auf den Rand der Brücke, ließen die Beine baumeln und verzehrten unser Abendbrot, das gleichzeitig unser Mittagessen war.
    » Was ist das?«, fragte ich Cortez, während ich mir ein Stückchen Fleisch aus den Backenzähnen pulte.
    » Iss es einfach«, sagte er leise.
    » Ich weiß bloß gern, was ich esse«, erwiderte ich.
    Cortez seufzte. » Hund, okay? Du isst Hundefleisch.«
    » Okay.« Ich war so hungrig, dass ich gegen Hundefleisch nichts einzuwenden hatte. Ich hatte es einfach nur wissen wollen. » Danke.«
    Unter uns glitzerte Öl auf dem schwarzen Wasser.
    » Beschissenes Gefühl, einen Hund umzubringen«, sagte Cortez.
    Plötzlich hatte ich ein Bild vor Augen, wie Cortez mit einem Happen Futter einen Hund anlockte, ihm die Kehle durchschnitt und ihn schlachtete. Mir war nicht klar gewesen, dass er so in Not war, seit er seine Wohnung verloren hatte. » Ja, das glaube ich.«
    » Beschissenes Gefühl, überhaupt jemanden umzubringen«, fügte er hinzu.
    » Ja«, sagte ich. Ich wusste, worauf er anspielte.
    » Mensch, was würde ich jetzt für ein Erfrischungstuch geben«, sagte Colin und wischte sich die fettigen Finger an einer Eisenbahnschwelle ab.
    Als es dunkel wurde, legten wir uns zwischen die Schienen. Unsere Hintern und Ellbogen hingen zwischen den Schwellen über dem Wasser.
    » Jemand muss Deirdre sagen, dass sie ihre Musik ausmachen soll. Das läuft schon eine halbe Stunde lang.«
    Deirdre lag auf dem Rücken, die Arme unter dem Kopf, die Augen geschlossen. Aus drei Metern Entfernung hörte ich das Summen in ihren Kopfhörern.
    » Deirdre!«, rief Cortez. Dann noch einmal, lauter. Als Deirdre sich nicht rührte, raffte er sich auf, ging zu ihr hin und tippte ihr auf den Kopf.
    » Was ’n los?«
    » Wir möchten gern, dass du die Musik ausmachst. Wir müssen mit unserer Energie haushalten.«
    » Du Arsch, das meiste davon hab ich doch selbst mitgebracht.« Ich erkannte die Musik wieder, die aus Deirdres Kopfhörern plärrte. Es war ihre eigene.
    » Das weiß ich«, sagte Cortez, » aber wenn man zu einer Sippe gehört, ist alles Gemeinschaftseigentum. Jeder sorgt für jeden.«
    Deirdre seufzte laut. » Na schön.« Sie stopfte das Gerät in ihren Rucksack.
    » Funktioniert bei einem von euch das Handy?«, fragte Ange.
    » Nee«, sagte Colin nach einer Pause. » Unseres gibt keinen Pieps mehr von sich.«
    Cortez besaß ein Radio. Die meisten Sender hatten ihren Betrieb eingestellt, aber einige wenige sendeten noch. Während wir uns aufs Weiterziehen vorbereiteten, hörten wie uns einen Bericht an. New York stand in Flammen. Seattle stand in Flammen. Zwar hatten die Regierungstruppen Los Angeles und einige weitere Großstädte unter Kontrolle gebracht, aber andernorts kämpften sie gegen verschiedene Warlords, Banden, Unternehmen und Polizei- oder Feuerwehrtruppen, die Gebiete von der Größe einiger Blocks bis hin zu gesamten Bundesstaaten in ihrer Gewalt hatten. General Electric erhob Anspruch auf einen großen Teil des Staates New York und erklärte ihn zur unabhängigen Nation. Wenigstens wurde das im Radio so berichtet. Absolut sicher schien man sich aber nicht zu sein. Die Regierung hatte erklärt, alle Männer zwischen achtzehn und fünfundvierzig müssten

Weitere Kostenlose Bücher