Wie du Ihr
meinen Anweisungen mit deiner Dosierung herumexperimentiert hat. Wenn sie sich rausgehalten hätte, wärst du immer noch am Leben.«
»Ich bin immer noch am Leben.«
»Ja, das stimmt. Es hat lange genug gedauert.«
Ich drückte mich von der Wand ab. Ich saß immer noch auf dem Boden und beugte mich zu ihm vor, als wäre ich völlig verzweifelt und am Ende meiner Kräfte. Ich war noch nie ein besonders guter Schauspieler gewesen, aber ich sah, dass er es mir abnahm. Er wich nicht einmal zurück.
»Warum haben Sie es getan? Warum haben Sie sie umgebracht?«
»Es war ein Unfall.« Er wich meinem Blick aus. »Das kommt vor. Ich wollte das nicht.«
Er nahm meinen Arm und wieder leistete ich kaum Widerstand. Er lehnte sich mit seinem vollen Gewicht auf mich, mit dem Rücken an meiner Brust, und hielt mich fest wie ein Scherer ein widerspenstiges Schaf. Ich wartete. Mein Moment würde kommen, wenn er nach einer Vene suchte und die Routine für ein paar Sekunden seine Aufmerksamkeit minderte. Ich spürte, wie sein Gewicht auf mir nachließ. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Kraft ich noch hatte.
Ich zog meinen Arm, so schnell ich konnte, über seinen Kopf, schlang ihm das Seil um den Hals und packte das lose Ende mit der freien Hand. Ich war sehr schwach und die Bewegung war unbeholfen, aber ich hatte den Überraschungseffekt auf meiner Seite. Er hatte nicht viel gelernt. Er riss die Hände hoch und versuchte, das Seil zu lockern, um mehr Luft zu bekommen. Sein Druck auf mich erschlaffte und ich kniete mich hinter ihn und zog mit aller Kraft an den überkreuzten Seilenden.
Es war ein einziges Chaos. Er zappelte wie verrückt. Er war viel stärker als ich und ich hielt ihn wie ein Rodeoreiter fest und kämpfte mit meiner letzten Kraft gegen seine. Ohne Luft würde er den Kampf bald verlieren. Als seine Bewegungen schwächer wurden, zog ich das Seil noch straffer – falls er mich reinlegen wollte. Ich hätte ihn töten können, aber mein Hass war größer als meine Wut. Er verdiente keinen schnellen Tod.
Ich zog weiter an dem Seil, bestimmt eine volle Minute, bis er halb ohnmächtig zusammensackte. Dann stieß ich ihn mit dem Gesicht nach unten auf den Betonboden. Ich kniete auf seinen Schulterblättern, drehte ihm einen Arm auf den Rücken und hielt mit der linken Hand sein Handgelenk fest, während ich mit der rechten seinen Kopf zurückzog.
»Eine Bewegung und ich breche dir zuerst den Arm und dann das Genick«, stieß ich hervor.
»Bitte nicht!«, keuchte er. »Ich wollte das alles nicht. Glaub mir. Ich komme auch mit zur Polizei. Ich werde alles gestehen.«
Ich antwortete nicht. Es gab nichts mehr zu sagen. Ich ließ sein Gesicht auf den Boden fallen und durchsuchte seine Taschen. Ich fand den Schlüssel. Ein einfacher Plan nahm Gestalt an. Er würde bekommen, was er verdiente.
Mit raschen Bewegungen band ich ihm das eine Ende des Seils um die Hand. Er versuchte, mich abzuwerfen, aber darauf war ich gefasst. Ich packte ihn an den Haaren und knallte sein Gesicht zu Boden. Dann schlang ich ihm das Seil um den Hals und band die zweite Hand an der ersten fest. Ich hörte, wie er verzweifelt röchelte. Ich trat einen Schritt zurück. Endlich war ich vor ihm sicher. Er drehte sich auf die Seite und starrte mich an.
Ich rechnete damit, dass er nach mir treten würde, als ich ihm Schuhe, Strümpfe und Hose auszog, aber sein Kampfgeist hatte schon nachgelassen. Die Hosen passten nicht besonders gut, aber mit hochgekrempelten Beinen ging es. Wahrscheinlich sah ich ein bisschen merkwürdig aus, aber nicht so merkwürdig wie in einer Schlafanzughose. Ich sagte immer noch nichts. Mir war schwindlig. Nicht vor Schwäche, sondern vor Triumph. Ich durchsuchte noch einmal seine Taschen und fand seine Brieftasche. Ich nahm mir sechzig Dollar. Mehr hatte er nicht.
»Du kannst mich nicht hierlassen«, sagte er schwach. »Bitte nicht!«
Dann versuchte er zu schreien. Ein so tiefer und jämmerlicher Laut, dass ich ihn knebeln musste. Meine Schlafanzughose war dafür bestens geeignet.
Ich nahm die Spritze und schob sie in meine Jackentasche. Dann hob ich das Buch und den Stift auf. Endlich konnte ich das Krankenhaus für immer verlassen.
»Jeder bekommt das, was er verdient«, sagte ich nur noch, ehe ich die Tür verschloss. Ich sah ihm noch einmal in die Augen. In ihnen lag keine Angst, sondern Hoffnung. Verzweifelte Hoffnung. Auch die wird irgendwann schwinden und dann wird er sich so fühlen, wie ich mich gefühlt
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