Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
Vom Netzwerk:
Regen.

Waffenstillstand
     
    Es war seltsam, Marie nach so langer Zeit wieder in ihrer gemeinsamen Küche hantieren zu sehen. Wie schnell man sich doch an Abwesenheit gewöhnte. Ben war beim Fußballtraining und feierte dann irgendeinen Kindergeburtstag bei McDonald’s. Drei furchteinflößende Stunden, um Na, über alles zu reden. Bisher hatte Marie ihre Drohung nicht wahr gemacht.
    Heute ist kein guter Tag, hatte sie nach einem Blick in sein Gesicht diagnostiziert, sich ihren roten Lieblingsmantel ausgezogen und begonnen, ihre Post durchzusehen, die Dally auf dem Küchentisch aufgestapelt hatte. Noch immer erhielt Marie Briefe an ihre gemeinsame Adresse – aus London, Perth oder Chicago oder wohin auch immer sich ihre Freundinnen vor Belfast geflüchtet hatten. Ihr Fuß, den sie nie aus der Tür genommen hatte.
    Wortlos stellte sie ihm eine Tasse hin. Der Teebeutel dümpelte in seinem Milchsee und wartete auf Wasser, das noch im Kocher blubberte.
    Mit Marie war alles einfach. Sie war da, wie immer. Er betrachtete sie, als sie seine Tasse auffüllte, die Zungenspitze zwischen den Lippen, so wie immer, wenn Tätigkeiten ein Mindestmaß an Konzentration erforderten. Seit wer weiß wie lange trug sie die Haare wieder offen. Ein paar goldene Fäden daraus hafteten an ihrem schwarzen Pullover und glänzten, wenn sie sich bewegte.
    Sie setzte sich an ihren Platz am Kopfende, stützte sich auf einen Ellenbogen. Hektisch klingelte ihr Löffel gegen die Tassenwand. Ihre Augen folgten dem Strudel, den sie erschaffen hatte. Das alte Ritual. Während der Haft hatte er sich ihren gemeinsamen Nachmittagstee immer ins Gedächtnis gerufen, um einzuschlafen.
    „Wann besuchst du mal wieder Theresa?“ Marie sah von ihrem Tee auf. „Sie würde sich so freuen. Der Kleine sieht aus wie Lucky vor fünf Jahren.“ Ihr Schmunzeln war ansteckend. Lucky und sein Babyface. Aber zuerst musste er sich an den toten Lucky gewöhnen, bevor er seiner Wiedergeburt gegenübertreten konnte.
    „Vielleicht können wir ja mal gemeinsam hinfahren.“ Bevor er auf den Vorstoß reagieren konnte, war Marie schon wieder auf sicherem Gelände. „Ich hab übrigens Aidan auf dem Weg hierher getroffen. Seine neue Nase hat was Draufgängerisches, muss ich sagen.“
    Sie genoss ihren Triumph, Dally ein zweites Lächeln entlockt zu haben.
    „Er hat mir erzählt, dass er die Schule nun doch weitermacht – vorerst.“
    „Wäre auch ohne gebrochene Nase möglich gewesen.“
    „Jetzt tu doch nicht so, als wärst du nicht froh. Immerhin bleibt dir damit der Thron als Schulabbrecher der Familie erhalten.“ Marie wusste, wie man ihn amüsierte und gleichzeitig provozierte. „Außerdem“, setzte sie nach, „ist deine Schwester mal wieder verliebt.“
    „Lass mich raten. Verheiratet, Arzt und könnte ihr Vater sein.“
    „Du bist entsetzlich“, sagte Marie durch die Zähne. „Sie wollte schon ein Alibi für Freitag. Für das Fluchtauto hab ich sie an dich verwiesen.“
    Dally schnaubte in seine Tasse. Marie war besser im Bilde über seine Familie als er selbst. Kein Wunder – immerhin hatte sie fast die Hälfte ihrer gemeinsamen zwölf Jahre in deren Gesellschaft verbracht und nicht in seiner. Eine Weile klingelten ihre Löffel im Duett.
    „Eigentlich hatte ich gehofft …“, sie seufzte, machte einen neuen Anlauf. „Ich hatte gehofft, dass es dir nach Dublin besser geht“, und mit voller Überzeugung, „aber du siehst aus wie ’n Wrack. Kannst du immer noch nichts essen?“
    Er zuckte die Achseln.
    „Schon. Aber ich schlaf nicht so gut.“
    Eine Untertreibung. Heute Morgen, irgendwann zwischen neun und halb elf, hatte ihn die Erschöpfung überwältigt. Ging so was überhaupt als Schlaf durch?
    „Es ist wegen Rory, nicht wahr?“ Ihre Augen suchten in seinen nach einer schlüssigen Reaktion, doch er wandte sich wieder seinem Tee zu. Ihre Stimme erzeugte kleine Vibrationen auf der Oberfläche. „Zuerst Lucky, dann er, das ist einfach zu viel.“
    Nicht das Zuviel, sondern das Zuwenig machte ihm Sorgen. Gleich nach seiner Rückkehr von Sandra hatte er Doherty und Liam zu erreichen versucht, ohne Erfolg. Bei Liam niemand zu Hause, Doherty unterwegs . Dasselbe gestern. Keine Nachrichten, keine Nachbesprechung. Alles verharrte in einer überdimensionalen Schrecksekunde.
    Die Ruhe vor dem Sturm, flüsterte es in ihm. Hau ab, solange du noch kannst.
    Wenn du jetzt davonläufst, bist du für alle der Verräter, sogar für deine Familie, gab etwas, das

Weitere Kostenlose Bücher