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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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Marie wie ein Schatten hinter ihm, öffnete die Tür zum Vorzimmer und da stand Seán vor dem Fenster in der einfallenden Dämmerung. Es war der Belfaster Seán – unrasiert, in Jeans, ohne gestärktes Hemd und Gel in den Haaren. Er wich vom Fenster zurück und hob die Hand zu einer unentschlossenen Begrüßung.
    „Wir kaufen nichts, Mister“, sagte Dally, begleitet von Maries Gelächter, die sich halb an ihn lehnte. Schließlich grinste auch Seán.
    „Sehr witzig, Leute. Kann ich rein?“
    Dally öffnete die Tür. Sein erster Blick fiel auf einen schwarzen Hartschalenkoffer auf Rollen, gleich neben Seáns Ford Fiesta.
    „Scheiße, Seánie, willste hier einziehen?“
    Marie rempelte ihn mit der Hüfte an.
    „Sei nicht so ungastlich.“
    „Ist doch wahr. Wahrscheinlich hat ihn Barbara vor die Tür gesetzt.“
    „Du bist unmöglich! Wie kann man nur so unsensibel sein?“ Maries gespielt empörtes Lachen tat gut. Besser als jedes Reden wir darüber .
    „Eine kleine Krise.“ Seán tätschelte seinen Koffer. „Außerdem wohn’ ich doch schon fast hier, weil jede Woche jemand eingebuddelt wird. Aber hey, dann kann ich endlich wieder Zeit mit meinem Lieblingsbruder verbringen.“
    „Tut mir so leid, Seánie. Ich wette, Dally tut es jetzt auch leid oder?“ Mitgefühl glaubwürdig zu vermitteln, das lag Marie. Sie hatte nicht umsonst Psychologie studiert, vor Dallys Verhaftung.
    „Na dann … fáilte“, Dally machte eine einladende Geste.
     
    Zehn Minuten, nachdem sich Seán zu Kaffee und Rosinenbrötchen mit Butter niedergelassen hatte, waren sie im Bilde.
    „Barbie hat eine dieser Phasen – drei Jahre, ich will Nägel mit Köpfen … und so weiter und so fort“, er wischte sich einen Tropfen geschmolzener Butter vom Kinn. Die Spitze seines Daumens war voller blutiger Krusten.
    „Na, dann heirate sie eben“, sagte Dally.
    „Oder bring sie mal mit“, ging Marie noch weiter.
    „Meint ihr, ich lass mich erpressen?“ Schlürfend nahm er einen Schluck aus seiner Tasse. „Die kommt schon wieder runter. Ist ja nicht das erste Mal.“ Er lachte trotzig, während Maries zweifelnder Blick dem von Dally begegnete. Wenn Seáns Version stimmte, warum dann dieses strubbelige Aussehen und die blutig gebissenen Finger?
    Marie leitete zu unverfänglicheren Themen über; Bridie und ihre neue Flamme aus der Radiologie, allfälliger Tratsch über die Nachbarn. Sie war ein Konversationsgenie, und Dally graute vor dem Augenblick, in dem sie ihn mit Seán alleine zurücklassen würde. Und der kam, gemeinsam mit Ben, seinen fiebrigen Augen und Halsschmerzen. Er ließ sich nur mit dem unbedingten Versprechen, Onkel Seánie werde bis zum Wochenende bleiben und mit ihm „Jurassic Park“ ansehen, zum Gehen bewegen.
    Dally begleitete sie zum Auto, empfing Maries ersten öffentlichen Kuss auf die Lippen seit März, beobachtete sie beim Anschnallen.
    „Sehen wir uns morgen?“
    „Hängt ganz von deinem Sohn ab. Ich ruf dich an.“
    Und weg war sie. Zurück blieben Seán, Dally und die Ratlosigkeit.
    Kaum war er zurück in der Küche, begann es wieder zu regnen. Erst vereinzelt, dann immer heftiger klatschten die Tropfen gegen die Tür in den Hinterhof. Nutzlos drehten sich die Wäscheklammern auf der leeren Leine, schwankten im Wind wie Vögel auf einer Stromleitung.
    Morgen war Rorys Totenwache. Sogar ein Schuss ins Knie war angenehmer als Liam und dessen Eltern gegenüberzutreten, und wer wusste, wem sonst noch? Aber er konnte nicht fehlen. Himmel, sogar Seán war da. Nicht aufzutauchen sah aus wie ein Schuldeingeständnis.
    „Willste noch was?“ Dally begann das Geschirr abzutragen.
    Seán brummte nur abschlägig, trommelte mit den Fingern gegen seine Tasse. Sein Blick wanderte von Dally über die letzte Rosinenbrothälfte zum Kühlschrank, weiter zu seinem Discman, der irgendwelche lebenserhaltenden Funktionen zu haben schien, weil er ihn immer mit sich rumschleppte.
    Ein Windstoß rüttelte an der Tür, und irgendwo am Dach ächzte es leise.
    „Seid ihr wieder zusammen?“, fragte Seán, gerade, als er mit dem Abwasch begonnen hatte. „Ich meine, du und Marie?“
    „Frag mich was Leichteres.“
    „Was ist mit Sandra? Hast du sie wiedergesehen?“
    „Das ist vorbei.“ So wie sein Plan, die Provos zu verlassen, wurde auch dieser Gedanke erst Realität, als Dally seine eigene Stimme hörte.
    „Schade“, bedauerte Seán, „sie war ziemlich heiß.“
    Dann folgte das leise Klick-Klack von Zähnen, die an

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