Wie Du Mir
Dienstag war er hier und hat nach dir gefragt.“
Er schnaubte. Jemand hatte geredet. Vielleicht einer der Nachbarn des Polizei-Portiers in Castlederg. Ihre Gastgeberin im sicheren Haus. Es gab genug Leute, die den Weg in Dallys Richtung weisen konnten. Dann noch die Kontrolle vor zwei Wochen, und schon hängten sie sich an Sandra.
„Was wollte er?“
Sie spielte mit ihrem Pferdeschwanz.
„Er hat mich gefragt, ob du mir irgendwas über den Anschlag vom Sonntag erzählt hast. Die wussten schon, dass du bei mir warst.“
Dally versuchte, darüber nachzudenken, wie das möglich war, doch gab es schnell auf. Was für eine Rolle spielte es noch? Sandra hatten sie schließlich auch ausfindig gemacht. Womöglich warteten die Bullen gerade in irgendeinem Zimmer auf ein Codewort von Sandra, so wie im Film.
Der Gedanke daran brachte ihn beinahe zum Lachen. Stattdessen räusperte er sich.
„Ich gehe besser.“
Sandra widersprach nicht, rieb nur die Lippen aneinander.
„Nie im Leben hätte ich dir was getan. Ich hatte dich echt gern.“
Seine impulsive Aussage ließ sie schmunzeln, bevor sie ihren Blick wieder senkte.
„Sie wollen, dass ich eine Aussage gegen dich mache.“
„Dann sehen wir uns ja doch wieder.“
Jetzt lachte sie – ein tonloser Stoßseufzer.
„Morgen will mich der Detective treffen, irgendwas aufnehmen“, die Zigarette noch in der Hand, rieb sie sich die Stirn. „Ich … ich will das nicht.“
„Musst du auch nicht, weil ich alles zugeben werde.“
Er sah wieder auf die Karte. Detective Sergeant McCrea.
„Der Detective war wirklich anständig. Wenn du schon zur Polizei gehst, warum dann nicht zu ihm?“
Dallys Finger bogen die Karte langsam zu einem Bogen. Anständig oder nicht – sie würden ihm viermal lebenslänglich verpassen. Zuzüglich des ganzen Rests: Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Körperverletzung und so weiter und so fort. Ihm wurde übel, wenn er daran dachte.
„Ich werd’s mir überlegen.“
Er betrachtete Sandra in ihrem Ohrensessel, mit angespanntem Kiefer und einem Blick, der sich nicht zwischen Enttäuschung, Ablehnung und Bedauern entscheiden konnte. So sah also ein Ende mit Schrecken aus.
„Mach’s gut Sandra.“
Ihre rechte Hand in ihrem Schoß zuckte, blieb aber liegen.
„Mach’s gut. Ich hoffe, du triffst die richtige Entscheidung.“
„Ich auch.“
„Schwarze Anzüge stehen dir übrigens“, sagte sie plötzlich und war so offensichtlich verlegen über ihre eigene Aussage, dass beide lauter lachten als geplant. Sogar der Rezeptionist schmunzelte.
„Sagt Marie auch immer.“ Dallys Daumen tastete nach seinem Ehering.
In guten und in schlechten Zeiten, hatte sie nichts ahnend versprochen. „Meine Frau, sie heißt Marie. Ich glaub, das hab ich nie erzählt.“
Sandra sah zu Boden.
„Also dann …“
„Also dann“, sagte sie, ohne den Blick zu heben.
Dally ging durch die Drehtür nach draußen. Die Novemberluft verbiss sich in ihn, durch Seáns Anzugjackett, sein Hemd und Unterhemd.
Ein Taxi mit leuchtendem Schild kam die Botanic Avenue herunter und machte Anstalten, neben Dally zu halten. Er winkte ab, und es verschwand um die nächste Ecke. Aus der Hotelbar drang das Lachen der Gäste.
Er schob die Hände tiefer in die Hosentaschen und folgte dem Taxi die Straße hinunter. Heute Nacht und bis er Sandra getroffen hatte, war er so überzeugt gewesen, das Richtige zu tun. Aufzuhören davonzulaufen vor etwas, das ihn ohnehin in jeden Winkel der Erde verfolgen würde.
Und jetzt … Er holte Atem, so tief es sein verkrampfter Magen erlaubte, fauchte eine Kondenswolke aus. Und jetzt? Jetzt brauchte er einen Drink. Mindestens einen.
***
Als sie die Straße überquerten, waren in JRs Haus schon alle Lichter aus.
„Umso besser“, sagte Flynn, während Rooney den Klingelknopf drückte, „wenn er schläft, haben wir ’nen Startvorteil.“
Sie lauschten eine Weile, dann probierte er noch einmal die Klingel.
Flynn räusperte sich, die rechte Hand grub nach etwas in seiner Jackentasche.
Rooney drückte den Knopf, bis sich sein erstes Fingerglied taub anfühlte.
„Scheiße, siehste nicht, dass sie kaputt ist?“, murmelte Flynn. Er schüttelte den Kopf und vergewisserte sich noch einmal, dass niemand die Straße entlangging. „Das ist ’n schlechtes Omen.“
„Was laberst du, die Klingel ist hin, mehr nicht.“ Rooney griff nach dem Türklopfer und ließ ihn gegen den silbrig glänzenden Amboss fallen. „Das
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