Wie Du Mir
Anschlag beobachtet hatte, würde er sich an genau einen Attentäter erinnern. Nicht Rory Sullivan, sondern Dallas Ferguson würde dann den Kopf hinhalten. Mal wieder.
Der Mazda fuhr los, als Dally noch nicht einmal beide Beine im Auto hatte. In seinem Magen brodelte es. So wie jedes Mal vor und nach einer Operation, nur stärker. Bösartiger. Er brauchte jetzt Lucky und die kindischen Witze, die er nach einem Anschlag immer erzählte. Stattdessen war da nur der Fahrer im Wachkoma. Und Rory, der ihn mit seinem Gewäsch in die Offensive gedrängt, ihm einfach so die alleinige Verantwortung für die Operation übertragen hatte.
Ablenkung musste her, schnell. Also kümmerte er sich um die Browning, trennte sie vom Magazin, entfernte die letzte Kugel aus dem Lauf und steckte sie gemeinsam mit der Wollmaske und den Handschuhen in eine speckige Sporttasche unter seinem Sitz. Knöpfte den Arbeitsoverall auf, der seine Kleidung gegen die Corditrückstände abschirmte, befühlte den schweißnassen Stoff seines T-Shirts darunter, wand sich aus dem Oberteil, strampelte den Rest von sich und stopfte ihn ebenfalls in die Tasche. Er beobachtete seine Hände bei der Arbeit. Klamm und feucht waren sie von den Einweghandschuhen. Die Hände eines Mörders.
An einer Bushaltestelle am Ortsende stand eine junge Frau mit Kinderwagen. Sie hatte beide Hände in ihren Wollmantel geschoben und sah gedankenverloren über die Straße. Der Mazda wurde langsamer und hielt genau neben ihr. Dally kurbelte sein Fenster nach unten, schob die Sporttasche nach draußen. Wortlos nahm die Frau sie entgegen, warf einen Blick rechts und links über die Straße und wandte sich wieder ab, bevor sie die Tasche in ihrem Kinderwagen verstaute. Strähnen brauner Haare flatterten um ihr Gesicht. Im Rückspiegel verfolgte Dally, wie sie über die Straße wechselte und in einer Häuserreihe verschwand.
„Herzlichen Glückwunsch, JR“, meldete sich Rory zu Wort, als der Mazda wieder auf die Straße ausscherte. „Deine Ladehemmung haste ja überwunden.“
„Halt die Klappe.“, fauchte er so heftig, dass sogar der Fahrer ihm flüchtig den Kopf zuwandte. „Die ganze Operation ist fast den Bach runtergegangen, also komm mir nicht so gönnerhaft, klar?“.
„Was haste denn, ist doch alles gut gelaufen.“
„Für dich vielleicht, du musstest ja nur zusehen.“
„Was kann ich denn dafür, wenn du nicht mal ’n paar Sekunden warten kannst? Ich wette, wir hätten ihn genauso erwischt.“
„Nach ’ner Verfolgungsjagd vielleicht? Du spinnst ja. Mich kann sowieso schon Gott und die Welt identifizieren dank der Aktion hier.“
Rory lachte.
„Mann, du übertreibst! Kein Mensch war unterwegs. Seit wann biste so ’n Hosenscheißer, JR? Wennde Angst hast, warum hauste dann nicht ab, so wie dein kleiner Bruder?“
Ein gezielter Schlag unter die Gürtellinie. Schon seit ihrer gemeinsamen Kindheit war Seán der Grund für Streit zwischen den Fergusons und den Sullivan-Zwillingen gewesen.
Seáns Fehlpässe im Fußball, seine notorisch große Klappe, die Tatsache, dass er klüger war als sie alle zusammen, sein immer etwas zu aufdringliches Aftershave, die Art, wie er sich anzog, als hätte er Geld. So viel Munition, und Rory suchte sich grundsätzlich den wundesten Punkt. Das hatte ihm über die Jahre so manchen Boxhieb eingebracht. Zumindest von Dally.
Seán hatte die Sticheleien immer mit dem Achselzucken des verkannten Genies hingenommen, nur um sich schließlich mit 18 nach Dublin zu verabschieden. Seit zehn Jahren tauchte er nur noch sporadisch von dort auf.
„Zumindest hat Seánie mehr im Kopf als ’ne Rolle Mentos.“
„Mann, ihr werdet euch immer ähnlicher.“ Rory lachte übertrieben laut. Es war ihm anzusehen, dass er sich als Sieger des Wortgefechtes fühlte, und Dally fragte sich, warum ihn ausgerechnet immer dann die Worte verließen, wenn das Gegenteil gefragt war.
Gefühlte zwei Tage später bogen sie in die Einfahrt eines zweigeschossigen, von Efeu überwucherten Hauses.
Dort sollten sie auf Liam warten, der sie zurück zum Training brachte.
Im Eingang stand eine stark ergraute Frau mit nachlässiger Hochsteckfrisur. Sie war eine echte Dame, hatte kein bisschen von der Verwahrlosung jener Frau, die in Castlederg die Sporttasche übernommen hatte. Mehrere Ketten aus bunten Plastiksteinen hingen um ihren Hals und klickten bei jeder Bewegung.
„Kommt rein, Jungs. Ich bin Geraldine.“ Sie trat zur Seite und wies mit der Linken die
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