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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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verloren, doch immer noch die vorwitzig nach oben gereckte Nase. Ihre Zähne drängten sich im vorderen Teil des Kiefers, als gäbe es etwas zu sehen. Wenn auch nicht besonders schön, sah sie zumindest liebenswert aus.
    „Die Kollegen vom kriminaltechnischen Dienst sind in ein paar Minuten da. Ist es in Ordnung, wenn ich Ihnen inzwischen ein paar Fragen stelle?“
    Sie schien über etwas völlig anderes nachzudenken, nickte aber. Ihre blonden Haare wirkten sogar im Pferdeschwanz glänzend und üppig.
    Will setzte sich ins Wohnzimmer ab. Überall lagen Zeitungen, und es roch entfernt nach Speck und Bratfett und menschlichen Ausdünstungen. Ansonsten war alles so normal und bieder, dass es schmerzte. Auf dem in die Wand eingearbeiteten Regal reihten sich handbeschriftete Videokassetten neben Schallplatten von Thin Lizzy, den Pixies und Jimi Hendrix. Der Rest bestand aus abgegriffenen Taschen-Thrillern und ausnahmslos grauenhaft gerahmten Schnappschüssen aus dem Ferguson’schen Familienleben.
    Ein pickeliger Bräutigam, im Arm seine kindliche Braut im weißen Polyesterkleid. Fergusons Sohn als Pirat verkleidet; zusammengerollt im Arm seines auf der Couch schlafenden Vaters. Noch ein Foto des Hochzeitspaares, diesmal mit einem Heer an Gästen im Rücken und dem Priester gleich daneben. Altmodische Kleidung, grauenhafte Haarschnitte, Ministrantenhaltung. Alles, was man an diesen Katholiken so eigenartig fand, vereint auf einem Bild. In Reihe eins stand Seán Ferguson, dünn wie ein Zahnstocher und mit geschlossenen Augen. Robert Callahan nahm sich hinter ihm wie ein Baum aus, grobschlächtig für sein junges Alter, doch mit dem arglosen Gesicht eines Kleinkindes.
    „Detective …“, der Deputy, der sich als ‚Adams‘ vorstellte, wies in den Grenzbereich zwischen Küche und Wohnzimmer. Getrocknetes Blut besprenkelte dort den petrolfarbenen Teppich, eine Traube davon sammelte sich auf dem marmorierten Linoleumboden in der Küche, gleich unter einem der Stühle am Küchentisch. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, Spuren zu verwischen. Schließlich war man unter sich. Die Nachbarn sahen nichts, hörten nichts, erzählten nichts.
    Deputy Adams’ schusssichere Weste knirschte, als er den Arm hob und aus dem Fenster in den Hinterhof zeigte. Über den Boden des Hinterhofs verstreut lag Wäsche. Zwei Hemden und Boxershorts klammerten sich noch an jenes Ende der Leine, das nicht aus der Verankerung in der Mauer gerissen worden war.
    „Freiwillig mitgekommen ist der nicht“, murmelte Deputy Adams. „Sieht aus, als hätte er über eines der Schlafzimmerfenster flüchten wollen. Im Hof haben sie ihn erwischt. Jemand hat abgeschlossen und den Schlüssel dort auf den Tisch gelegt.“
    Will betrachtete das blutbefleckte Küchenrollenknäuel und den Schlüsselanhänger auf dem Holztisch.
    „Was meinen Sie, Detective, wieder die Loyalisten? Einfach abknallen reicht denen ja nicht mehr, neuerdings.“ Deputy Adams neigte sich vertraulich zu ihm. „Aber was soll’s. Ist ’n Terrorist, sagt die Zentrale. Da geht nicht viel verloren.“
    „Kann ich mir den ersten Stock mal ansehen?“
    „Klar“, nickte Deputy Adams eilfertig.
    Die Treppe quiekte unter Wills Schritten. Im Schlafzimmer baute sich eine Schrankwand wie ein Riese vor dem mit einer bunt gemusterten Flanellbettwäsche bezogenen Bett auf. Auf einem Holzstuhl neben dem Kopfteil lag ein geöffnetes Taschenbuch mit nach oben gekehrtem Titel. „Die Tommyknockers“. Wie bizarr. Jenny hatte jede freie Minute Stephen King gelesen.
    An den Rückenteil des Stuhles gelehnt stand ein Foto von Marie Ferguson mit ihrem Sohn, der ein Schild in der Hand hielt. Willkommen zu Hause, Dad.
    Will erschauerte. Plötzlich hatte er das Gefühl, Ferguson stünde hinter ihm, seine Augen zornig glitzernd, endgültig der Mensch, zu dem Will ihn aus ein paar Informationsschnipseln, grobkörnigen Fotos und Erinnerungen zusammengezimmert hatte. Er verließ das Zimmer ohne einen Blick zurück.
    Er hätte nicht hierherkommen sollen. In Fergusons Schlafzimmer zu stehen, seine Familienfotos anzusehen, sein Aftershave im Badezimmer zu riechen, das ging zu weit. Zu nahe. Er warf einen Blick in den Raum, aus dem Ferguson wem auch immer zu entkommen versucht hatte. Das Fenster war nach oben geschoben, das Glas hatte einen deutlichen Sprung. Der Spalt war verdammt schmal. In der Panik war wohl vieles möglich. Ein zugeklappter schwarzer Koffer stand darunter, ein von der Wand in Richtung Tür

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